Orgelnacht:Alle Register gezogen

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Die Münchner Musikhochschule hat eine neue Bach-Orgel

Von Klaus P. Richter, München

Eine unvergängliche Ikone abendländischer Musik, Johann Sebastian Bach, war auch einer der größten Organisten. Bach kannte und prüfte viele Orgeln und spielte bei seinen vielen Anstellungen von Arnstadt, Mühlhausen, Köthen und Weimar bis Leipzig auf ganz verschiedenen Instrumenten. Aber keines davon ist original erhalten - weshalb man eigentlich überhaupt nicht weiß, was eine authentische Bach-Orgel ist. Trotzdem bemüht man sich immer wieder um ein "historisch informiertes" Konstrukt. Auch die Münchener Musikhochschule hat jetzt eine neue "Bach-Orgel". Das von der Rowan West Orgelbau aus Altenahr im Rheinland gebaute Instrument will dem Typ der Bach-Zeit für eine idiomatisch angemessene Wiedergabe ihrer Musik nahekommen. Dafür wählte man als Stimmton den alten Chorton von 465 Hertz, einen Halbton höher als heute, und keine moderne gleichstufige Stimmung, sondern eine "wohltemperierte" in der die Tonarten noch mehr von ihrem Charakter einer "reinen" Stimmung behalten. Dazu selbstverständlich eine mechanisch Traktur für die zwei Manuale und Pedal mit insgesamt 28 Registern.

Die Vorstellung erfolgte jetzt in einer fulminanten "Orgelnacht", bei der die Bach-Orgel nicht nur mit drei weiteren Instrumenten der Hochschule konkurrierte, sondern auch die Organisten mit einem Programm von imposanter Spannweite aufwarteten. Nach Harald Feller, der in Bachs vergrübelter g-Moll Fantasie eher das rauere, historische Klangbild der Orgel vorführte, brachte sie Angela Metzger mit dem virtuosen Rausch von Präludium und Fuge D-Dur (BWV 532) zum Blühen. Bernhard Haas illuminierte dort die große Choralpartita über "Sei gegrüsset Jesu gütig" mit seinen Registrierkünsten und führte dann auf der Pirchner-Orgel zuerst die introvertierte Prägnanz von Frohberger und Kerll bis Muffat und Scheidemann vor, dann aber auf der Schuke-Orgel spätromantisches Flair von Mendelssohn bis Reger und sperriges von György Kurtág.

Mit den opulenten Figurationskünsten von Bernard Pasquini bis Buxtehude machte Franz Hauk bekannt und Bernadetta Šuňavská kontrapunktierte Schostakowitsch mit César Franck. Den düsteren Bach führte Michael Hartmann in Präludium und Fuge c-Moll (BWV 546) vor und Christoph Schönfelder improvisierte extravagant über einen Choral und konzertierte virtuos mit Vivaldi. Auf der mächtigen Kuhn-Orgel des großen Konzertsaals mit 52 Registern, die noch von Edgar Krapp disponiert worden war, entfalteten schließlich alle Meisterorganisten deren sinfonische Potenziale von Liszt, Messiaen, Guilmant bis Schönberg, Strawinsky, Karg-Elert, Franz Schmidt, Robert Helmschrott und Moritz Eggert. Das war nicht nur eine großartige Leistungsschau der Hochschule, sondern auch ein Panorama der Stile und Klänge in die jetzt mit der "Bach-Orgel" auch ein neuer Klang gekommen ist. Übrigens bei einem gewaltigen Publikumsandrang.

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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