Oper:Barocke Traumwelt

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Arkadien ist auf dieser Bühne gestaltet wie ein Pop-up-Bilderbuch - und Videokunst veredelt den Moment. (Foto: Jochen Quast)

Johannes Pölzgutter inszeniert in Regensburg Vivaldis "La fida ninfa"

Von Andreas Meixner, Regensburg

Antonio Vivaldi, dem man gerne nachsagt, als Komponist nicht immer allzu erfinderisch gewesen zu sein, überrascht in der Premiere von "La fida ninfa" im Theater Regensburg mit einer Klangsprache, die wenig mit dem Klischee des Vielschreibers zu tun hat. Der Venezianer schlägt in den Da-capo-Arien Haken wie ein Hase, raffinierte Tempi- und Harmoniewechsel lassen die Musik öfter als erwartet aus dem barocken Opernallerlei herausragen.

Flammende Liebe, Eifersucht, dazu eine Prise Missverständnisse, reichlich garniert mit Versatzstücken aus der antiken Mythologie - das sind die wesentlichen Zutaten, aus denen die Geschichte um die zwei entführten Nymphen besteht. Was Regisseur Johannes Pölzgutter zusammen mit dem Videokünstler Manuel Kolip und Janina Ammon (Ausstattung) aus dem faden Plot machen, ist eine ebenso leichtgewebte, anmutige, aber auch ironisch-bissige Brechung barocker Spielarten. Kolips Videokunst bedient sich der Trickfilm- und Stop-Motion-Technik mit viel Gespür für die Szenerie, nie ist sie bloße Projektion, sondern veredelt den Moment mit wenigen, aber prägnanten Mitteln. Die Traumwelt Arkadiens ist ein aufgeklapptes comichaftes Pop-up-Buch, wie in einem Kinderbuch zieht man an den Mündern der Schafe oder schiebt die Sonne in Position.

Es wird wunderbar albern, wenn die Götter Juno und Eolo in völliger Überzeichnung die Szene betreten. Die Illusion einer besseren Welt, die am Ende nur der Fantasie der Verzweiflung entspringt. Das böse Erwachen kommt in der letzten Szene, bevor der Vorhang fällt. Bis dahin brennt das Sängerensemble ein barockes Feuerwerk exaltierter Sangeslust ab. Und es ist schwer, eine Leistung besonders hervorzuheben, weil alle Solisten sich mit dem barocken Gestus der Koloraturen, Phrasierung und Tonbehandlung so ungemein wendig und versiert zeigen. Sara-Maria Saalmann als Morasto und der Countertenor Onur Abaci in der Rolle des Osmino stechen ein wenig heraus. Saalmann wütet in rasender Eifersucht durch die halsbrecherischen Kurven ihrer Arien, findet aber ebenso schnell zu feinst gezeichnetem Liebeskummer zurück.

Abaci ist als Soprano eine Klasse für sich, stilsicher und geschmeidig in seiner Stimmgebung. Ein Luxus, den sich das Theater Regensburg mit ihm leistet. Vera Semieniuk ist in allem, was sie macht, nicht nur begeisternd, sondern ist auch schauspielerisch in der Rolle der kessen Elpina treffsicher. Dazu Anna Pisareva, die als Licori technisch durch alle Register mit unglaublicher Leichtigkeit brilliert. Als grobschlächtiger und brutaler Oralto sang Johannes Mooser fast ein wenig zu schön, aber auch er zeigt, wie Barockmusik geht. Und aus dem Orchestergraben ragt der lange Hals der Theorbe hervor. Zeichen dafür, dass man auch dort alles richtig machen will, trotz überwiegend modernen Instrumentariums. Tom Woods führt die kleine Besetzung des Orchesters durch die Partitur, mit Verve und akzentuierter Tonbehandlung. Vibratoarm, aber dennoch kraftvoll und mit Esprit. Eine Barockoper, wie sie sein soll: voller Leidenschaft und Virtuosität. Großartig!

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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