Open-Air-Konzert:Wasserabweisende Stimmung

Lesezeit: 1 min

Doppelt behütet: Alan Gilbert und das Symphonieorchester des BR unter Pavillons und dem Dach der Feldherrnhalle. (Foto: Catherina Hess)

Noblesse und Überwältigungsversuche: Alan Gilbert dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Sopranistin Renée Fleming bei "Klassik am Odeonsplatz"

Von Paul Schäufele

Es hätte schlimmer kommen können. Doch die sintflutartigen Regengüsse weichen gerade rechtzeitig einem wolkenverhangenen Himmel, sodass das Klassik-Open-Air am Odeonsplatz mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit nur leichter Verspätung stattfindet. Die Protagonisten des Abends hätten da gar nicht besser ausgewählt werden können. Denn Wenige haben die mediale Doktrin des "Keep smiling" so verinnerlicht wie Renée Fleming und Alan Gilbert. Ihre Mienen vermitteln: Auch wenn es uns kalt um die nassen Schuhe weht, wir sind des Kunstgenusses wegen hier. Und der bleibt dann, der Wetterlage entsprechend, weitgehend stabil.

Zunächst aber will nicht so recht Stimmung aufkommen bei der Auswahl aus Tschaikowskys "Eugen Onegin" (das Knistern wasserabweisender Membranen trägt das Seine dazu bei). Spätestens bei dem anrührenden Duett zwischen Horn und Sopran in der Briefszene des ersten Aktes jedoch kehrt Ruhe ein. Die Noblesse, mit der Fleming hier das emotionale Geständnis Tatjanas profiliert und die bei aller Stimmkraft schlichte Gestaltung lassen aufhorchen. In einer weiteren, viel seltener gehörten Briefszene aus Wolfgang Korngolds Oper "Die Kathrin" zeigt sich die bewundernswerte Fähigkeit Flemings, Melodien ins Unendliche zu ziehen, ohne dabei an Spannung zu verlieren.

In Schlagern von Flotow und Rodgers / Hammerstein glänzt die Seidenstimme, in der ersten Zugabe (Gershwins "Summertime") wird sie sorgfältig aufgeraut, bevor sie sich mit dem traumhaften Lied der Marietta aus Korngolds "Die tote Stadt" verabschiedet. Da geht kein Ton verloren, trotz heikler Akustik. Ohne Rückendeckung durch Fleming scheint Gilbert dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in puncto Hörbarkeit dann nicht so ganz zu vertrauen. Im ersten Satz von Tschaikowskys Fünfter dröhnen die Bässe, es knallen Blech und Pauken. Das wirkt alles etwas forciert und müsste gar nicht sein, wie sich in den Mittelsätzen zeigt. Suggestiv fließend der langsame Satz (herausragendes Hornsolo von Eric Terwilliger), fabelhaft leicht der Walzer.

Das Finale streift als bemühter Überwältigungsversuch wieder das militärisch Zackige. Da wünschte man sich mehr von dem unbekümmerten Schwung, der die Zugabenstücke trägt: Der 7/8-Takt-Walzer aus Bernsteins Divertimento und ein regulärer, nochmals von Tschaikowsky, bereiten mit Witz und Charme dem so grau begonnenen Abend ein positives Ende.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: