Musik:Gangster-Rap als Beweismittel vor Gericht?

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New York (dpa) - Vonte Skinner ist in seinen Texten alles andere als zimperlich. Die Songs des Hobbymusikers aus dem US-Bundesstaat New Jersey handeln von Straßenkriminalität, Gewalt und Drogen - wie üblich im Genre des Gangster Rap.

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New York (dpa) - Vonte Skinner ist in seinen Texten alles andere als zimperlich. Die Songs des Hobbymusikers aus dem US-Bundesstaat New Jersey handeln von Straßenkriminalität, Gewalt und Drogen - wie üblich im Genre des Gangster Rap.

„Ich bin der Typ, der dir in den Nacken schießt“, singt Skinner beispielsweise in einem seiner Lieder. Berühmt und reich gemacht hat Skinner seine Musik nie - aber sie könnte ihn jetzt ins Gefängnis bringen.

Der frühere Drogendealer soll 2005 einen anderen Dealer erschossen haben. Ein Gericht verurteilte Skinner daraufhin 2008 zu 30 Jahren Haft. Um die Gewaltbereitschaft des Angeklagten zu belegen, verlas die Staatsanwaltschaft 13 Seiten Rap-Texte von Skinner, dabei sind die Songs teilweise lange vor dem angeblichen Mord entstanden und es gibt in den Texten keinerlei Bezug zum Mordopfer. Ein Berufungsgericht kippte das Urteil später wegen des Einsatzes der Texte.

Am Mittwoch (22. Januar) entscheidet nun das oberste Gericht des Bundesstaats New Jersey, ob Rap-Texte als Beweismittel vor Gericht eingesetzt werden dürfen. Eine Entscheidung wäre noch nicht endgültig, könnte aber wegweisend sein.

Der Einsatz von solchen Texten vor Gericht ist in den USA keine Seltenheit - und wird zurzeit diskutiert. Die New Yorker Polizei beispielsweise verstärkt einem Bericht der „New York Times“ zufolge derzeit die Analyse von Rap-Texten. „Wir müssen uns die Songs genau anhören, weil sie darin über laufende Gewalttaten sprechen“, sagte Polizist Frank Vanpelt der Zeitung. Für die Polizei sind vor allem Rapper interessant, die Kontakt zu Gangs haben könnten. So können die Beamten Einblicke in Hierarchien und Bandenrivalitäten gewinnen.

Material gibt es viel: Amateur-Rapper warten nicht mehr auf Plattenverträge, sondern laden ihre Songs bei YouTube und anderen Internet-Plattformen hoch. So konnte die New Yorker Polizei im vergangenen Jahr mehrere Rapper und Gang-Mitglieder aus Brownsville, einem Kriminalitäts-Brennpunkt im Stadtteil Brooklyn, verhaften. Sie sollen an einer Schießerei beteiligt gewesen sein. Hauptbeweismittel war laut Polizei ein Musikvideo auf YouTube.

Diese Praxis von Polizei und Staatsanwaltschaft ist jedoch stark umstritten: Oft sind die Rap-Texte schließlich schlicht fiktiv. Zahlreiche Gangster-Rapper in den USA und weltweit sind mit brutalen Texten zu Superstars und Multimillionären geworden. 50 Cent beispielsweise rappte, dass er New York mit seiner Maschinenpistole unsicher machen will. Eminem schneidet seiner Ex-Frau in einem Song die Kehle durch.

Aber anders als bei anderen Kunstformen nähmen Gerichte Rap-Texte allzu wörtlich, sagt Erik Nielson, Forscher an der Universität von Richmond im US-Bundesstaat Virginia, der sich mit dem Thema beschäftigt hat. Gerade im Genre des Gangster-Raps, der sich hauptsächlich um Gewalt, Drogen und Ghettos drehe, könne sich das für die Angeklagten sehr negativ auswirken.

„Wenn die Geschworenen diese verstörenden Geschichten hören ohne die Bräuche des Raps oder des Gangster-Raps zu kennen, werden sie sich eher dem Argument der Staatsanwaltschaft anschließen, dass es sich bei den Texten um gereimte Geständnisse handelt“, sagt Nielson. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass der Einsatz von Rap-Texten vor Gericht steigen wird, weil sich das Beweismittel für die Staatsanwaltschaft als sehr effektiv erwiesen habe.

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) in New Jersey fordert deshalb vom obersten Gericht des Bundesstaates klare Richtlinien, wann Rap-Texte vor Gericht eingesetzt werden dürfen. Das Hauptargument der ACLU: Songtexte fallen unter die künstlerische Freiheit - und die werde von der US-Verfassung geschützt.

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