Musik:Anarchy in the UK: John Lydon wird 60

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John Lydon wird 60 - und will zornig bleiben. (Foto: Facundo Arrizabalaga)

London (dpa) - Man könnte ihn ein nationales Kulturgut Großbritanniens nennen: Der Bürgerschreck John Lydon, besser bekannt als Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten, mit dem fast wahnsinnig anmutenden Starren und den wirren Haaren.

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London (dpa) - Man könnte ihn ein nationales Kulturgut Großbritanniens nennen: Der Bürgerschreck John Lydon, besser bekannt als Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten, mit dem fast wahnsinnig anmutenden Starren und den wirren Haaren.

Seine verrotteten Zähne, die ihm den Bühnennamen Johnny Rotten einbrachten, sehen inzwischen besser aus - seit er in Los Angeles wohnt, hat er nach eigener Aussage Tausende Dollar in ihre Instandsetzung investiert. Am Sonntag (31. Januar) feiert der britische Sänger John Joseph Lydon nun seinen 60. Geburtstag.

Er ist ein Berufspunk mit Widersprüchen: Gegen eine Einladung der Rock and Roll Hall of Fame wehrte er sich mit den Sex Pistols mit einer krakeligen Botschaft: „Wir sind nicht Eure Affen!“ Andererseits verdiente er Geld mit der Teilnahme an Reality-Shows wie dem britischen „Dschungelcamp“, wo er mit Flüchen für Aufsehen sorgte.

Der Musiker wuchs im Norden Londons als ältester von drei Söhnen einer irischen Familie auf. In seinen Memoiren mit dem passenden Namen „Anger is an Energy“ (Wut ist eine Kraft, 2014) beschreibt er sich vor allem als Überlebender einer schweren Kinderkrankheit: Mit sieben Jahren erkrankte er an einer lebensbedrohlichen Form von Hirnhautentzündung, lag im Koma und verlor Teile seiner Erinnerung.

Dem amerikanischen Sender CNBC erzählte Lydon, was das für Folgen für die Musikwelt hatte: „Die Ärzte empfahlen meinen Eltern, mich permanent wütend zu machen, und diese Wut brachte mich erst in die Wirklichkeit zurück. Und daher ist bis heute Wut eine Form von Energie für mich.“

Das hat sich ausgezahlt. Erst mit den Sex Pistols, später mit der Band Public Image Ltd hat sich Lydon als einer der berühmtesten Antihelden Großbritanniens etabliert und nebenbei Punkmode weltweit salonfähig gemacht. Angeblich weiß er nicht genau, welche Farbe seine Haare haben, weil er sie dauernd färbt. „Wahrscheinlich grau“ vermutete er in einem Interview des „Telegraph“.

Mit ihrer Punk-Parodie auf „God Save the Queen“ zum 25. Thronjubiläum schockierten die Sex Pistols 1977 - vor fast 40 Jahren - das britische Establishment. Mit dem Album „Never Mind the Bollocks, Here's the Sex Pistols“, ihren Hasstiraden und Publikumsbeschimpfungen lieferten die Pistols die Vorlage für die rebellische „No Future“-Jugend der Thatcher-Jahre.

Kein Wunder, dass Lydon innerhalb kürzester Zeit zur Galionsfigur der Punkbewegung wurde, bevor er am im Januar 1978 in San Francisco von der Bühne ging und nicht mehr zu den Sex Pistols zurückkehrte. Später gründete er die experimentelle Postpunk-Band Public Image Ltd oder kurz PiL, die vor allem für ihren 1983er-Hit „This Is Not A Love Song“ bekannt wurde.

Auf acht Studioalben folgte eine lange Auszeit. Lydon füllte sie mit Sex-Pistols-Revivals, Fernsehauftritten und einem Werbespot für britische Landbutter, mit dessen Einnahmen er angeblich ein Comeback mit Public Image Ltd mit dem Album „This is PiL“ finanzierte.

John Lydon wohnt inzwischen in Los Angeles und ist seit bald vier Jahrzehnten mit der Deutschen Nora Forster verheiratet. Gerade hat er eine Nordamerika-Tournee mit Public Image Ltd beendet und bewirbt sein letztes Album „What the World Needs Now ...“ (Was die Welt jetzt braucht). Für Punkfans dürfte ein Schock sein, was das Lydons Ansicht nach ist: „Was die Welt braucht ist Transparenz. Empathie ist ein weiteres Wort, das ich nennen würde. Wir müssen die Bedürfnisse unserer Mitmenschen verstehen.“

Verständnis statt Wut? Ist der frühere Johnny Rotten etwa altersmilde geworden? Doch die Gefahr bestehe nicht, versicherte er dem britischen Kulturmagazin „Flux“ vor kurzem: „Ich war ein zorniger junger Mann, ich bin ein zorniger Mann mittleren Alters, und habe absolut vor, ein zorniger alter Mann zu sein.“

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