Museen:Experte: „Hänsel und Gretel“-Komponist hatte andere Ziele

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Blick in ein Poesiealbum, das der Schwester des Komponisten Engelbert Humperdinck (1854-1921) gehörte. (Foto: Jens Büttner/dpa)

„Hänsel und Gretel“ gehört zur Vorweihnachtszeit wie der Geruch von Spekulatius und brennenden Kerzen. Doch der Komponist Engelbert Humperdinck betrachtete den Erfolg der Oper auch als Fluch.

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Siegburg (dpa) - In ein paar Wochen ist es wieder so weit - dann steht in der Vorweihnachtszeit die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ auf dem Spielplan vieler Musiktheater. Der Komponist der Oper, Engelbert Humperdinck (1854-1921), war jedoch zeitlebens frustriert davon, dass er an diesen Erfolg nicht anknüpfen konnte. „Er wäre lieber als Komponist komischer Opern nach dem Vorbild von Albert Lortzings „Zar und Zimmermann“ in Erinnerung geblieben - das war sein musikalisches Lebensziel“, sagte der Musikwissenschaftler Christian Ubber der Deutschen Presse-Agentur. Ubber ist Leiter der Musikwerkstatt Siegburg, die das Leben des in der Stadt geborenen Komponisten erforscht.

„Humperdinck hat sich immer darüber beklagt, dass er mit diesen Werken, die ihm eigentlich wichtig waren, keinen Erfolg hatte“, sagte Ubber. „Das hat ihn enorm frustriert.“ Auch ein weiteres Werk nach einem Märchen der Gebrüder Grimm - „Dornröschen“ - wurde ein Reinfall. „Dass er das vertont hat, war allerdings in erster Linie ein Freundschaftsdienst für eine befreundete Textdichterin, die das Libretto geschrieben hatte. Er selbst hat schon vorher geahnt, dass das nichts werden würde.“ Humperdincks Oper „Königskinder“ sei zu seiner Zeit zwar noch ein Erfolg gewesen, auf Dauer aber auch in Vergessenheit geraten: „Das Problem ist, dass es eigentlich eher ein Sozialdrama ist und dass vor allem das Happy End fehlt. Deshalb ist das Stück nicht familientauglich und erfüllt nicht die Erwartungen, die man an eine Märchenoper hat.“

Da das Bild des „Hänsel und Gretel“-Komponisten in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Forschungsergebnisse angepasst worden ist, hat das Stadtmuseum seiner Geburtsstadt Siegburg nun auch die Humperdinck-Abteilung grundlegend erneuert - die feierliche Eröffnung ist am Donnerstagabend.

Politisch sei Humperdinck konservativ-national eingestellt gewesen, sagte Ubber. „Er hat auch zu Beginn des Ersten Weltkriegs einige Werke geschrieben, die man als nationalistisch bezeichnen muss. Auch das kommt bei uns zur Sprache - wir wollen solche weniger angenehmen Seiten auf keinen Fall verschweigen.“

© dpa-infocom, dpa:230928-99-361554/3

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