Theater:Münchner Kammerspiele sind "Theater des Jahres"

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Nach Jahren der Querelen wird das Haus von Matthias Lilienthal mit Auszeichnungen überschüttet. "Was lange währt, wird endlich gut", lautet sein Statement aus den Theaterferien.

Von Christine Dössel

Matthias Lilienthal ist ein Mensch, der weiß, was er wert ist. "Jedes Theater, das ich leite, wird irgendwann ,Theater des Jahres'", sagte der Intendant der Münchner Kammerspiele vor Kurzem selbstbewusst bei einer lokalen Salonveranstaltung. Da wusste er möglicherweise schon, was jetzt bekannt gegeben wurde: Die Kammerspiele sind tatsächlich zum "Theater des Jahres" gewählt worden. In der jährlichen Kritikerumfrage des Fachmagazins Theater heute erhielt das Haus in der Kategorie "Gesamtleistung eines Theaters der Saison" elf von 44 Stimmen. Das sind viele, kann man bei dieser Umfrage doch gegebenenfalls schon mit drei, vier Stimmen Sieger in einer Kategorie werden. Was dann nicht sonderlich aussagekräftig ist.

Im Fall der Kammerspiele jedoch handelt es sich um einen Sieg auf ganzer Linie. So wurde der zehnstündige Antikenmarathon "Dionysos Stadt" in der Regie von Christopher Rüping mit 14 Stimmen zur Inszenierung des Jahres gekürt. Die mitreißende, von den athenischen Dionysien inspirierte Produktion war im Mai auch schon beim Berliner Theatertreffen vertreten. Sie führt von Prometheus über den Trojanischen Krieg zur "Orestie" und endet mit einem Fußballsatyrspiel. Nils Kahnwald, der in "Dionysos Stadt" in einem halbstündigen Prolog glänzt und nach dieser Charmeoffensive mehrere Rollen übernimmt, wurde zum Schauspieler des Jahres gewählt; Gro Swantje Kohlhof zur Nachwuchsschauspielerin (beide mit sieben Stimmen). In der Kategorie "Bühnenbild des Jahres" steht Lena Newtons surreale Guckkasten-Bilderrahmung für Susanne Kennedys "Drei Schwestern" obenan (vier Stimmen). Schauspielerin des Jahres indes ist die famose Sandra Hüller, früher auch mal an den Kammerspielen beheimatet, nun am Schauspielhaus Bochum bei Johan Simons, in dessen Regie sie als Hamlet triumphierte.

Für Lilienthal, dessen letzte Spielzeit in München ansteht, dürfte der Umfragetriumph nach turbulenten vier Jahren mit viel Kritik an seinem Haus und deutlichem Publikumsschwund eine Genugtuung sein. "Was lange währt, wird endlich gut", lautet sein Statement aus den Theaterferien. Nachdem die Münchner CSU eine Ablehnung seiner Vertragsverlängerung signalisiert hatte, warf Lilienthal im vergangenen Jahr den Bettel hin und kündigte für Sommer 2020 seinen Weggang an. Viele Münchner hatte er vergrault, weil er zu stark versucht hatte, die Kammerspiele neu aufzustellen nach dem Gastspiel- und Freie-Szene-Prinzip des Berliner HAU, das er früher leitete. Bei "Dionysos" zeigten die Kammerspiele dann ihre Muskeln: eine Theatersause aus dem Vollen, mit fabelhaften Schauspielerleistungen.

Noch eine Auszeichnung ist zu vermelden, eine vom Bundesverband Schauspiel: Die wunderbare Angela Winkler, 75 inzwischen, aber eigentlich alterslos, wird beim Deutschen Schauspielpreis am 13. September für ihre Leistung im Theater geehrt. Der Preispate Ulrich Matthes würdigt sie für ihre Irina in Tschechows "Drei Schwestern" am Deutschen Theater Berlin. Allen sei gratuliert.

© SZ vom 30.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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