Lucky Luke zum 75. Geburtstag:Lila Kühe

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Ein Showdown, wie ihn Ralf König sieht, in "Zarter Schmelz": Können Bud und Terrence wirklich aufeinander schießen? (Foto: © Lucky Comics 2021 - All Rights reserved by Ralf König/Egmont Ehapa Media)

Ralf König gratuliert Lucky Luke mit der Männerliebesgeschichte "Zarter Schmelz". Eine weitere Hommage ist von Matthieu Bonhomme erschienen.

Von Harald Eggebrecht

Die Idee, dem "lonesome Cowboy" Lucky Luke, einer der populärsten Figuren der Comic-Geschichte, zum 75. Geburtstag eine Hommage-Reihe zu widmen, hat Charme. Ob sie dann aber in der jeweiligen Ausführung auch charmant wirkt und nicht nur gewollt und hybrid, muss sich zeigen. Eine Gefahr ist die simple Wiederholung von Plots und Figuren, eine andere die überzogene Verfremdung, eine dritte zu viel zu wollen, um neu zu erscheinen. Musikalisch gesprochen ist es daher sehr willkommen, dass sich Ralf König und Matthieu Bonhomme, die die Bände vier und fünf der Hommage-Reihe gezeichnet haben, der Sache als Profis annehmen nach dem Motto: Variationen über das Thema "Lucky Luke".

Ralf König (Text und Zeichnungen): Lucky Luke. Zarter Schmelz. Eine Hommage. Verlag Egmont, Berlin 2021. 56 Seiten, 16 Euro (gebunden)/8,99 Euro. (Foto: N/A)

Ralf König, der wohl berühmteste Schwulencomiczeichner der Welt, der unter anderem mit "Der bewegte Mann" einen Riesenerfolg landete, hat bei seiner Variation auf seine Spezialitäten gesetzt. "Zarter Schmelz" heißt seine Liebesgeschichte zwischen dem weißhäutigen rundlichen Rotschopf Bud und dem bärenmäßig behaarten, aber kahlköpfigen kleinen Terrence, die mit der ziemlich unverblümten Homophobie im Wilden Westen zurechtkommen müssen. Dabei agiert der große Lucky Luke, der bekanntlich den Colt schneller ziehen kann als sein Schatten, als wohlwollender Beobachter und Eckensteher, der immer dann eingreift, wenn es gefährlich werden könnte für das Liebespaar, dessen Geschichte den entscheidenden Erzähl- und Zeichenraum einnimmt. Der alt gewordene Bud schildert sie und die Begegnung mit Lucky Luke als Rückblende in ziemlich behäbigem Tempo. Das Sujet erinnert an den allerdings tragisch-bitteren Film "Brokeback Mountain" von Ang Lee, der 2005 nach einer Erzählung von Annie Proulx herauskam.

Cowboys in Unterwäsche sind im Western regelmäßig zu sehen. Ihre Brustwarzen aber werden dann doch eher selten thematisiert. (Foto: Lucky Comics 2021 - All Rights reserved by Ralf König/Egmont Ehapa Media)

Bei König wird aus dem schmal-eleganten, pfiffigen Lucky Luke seines Schöpfers Morris ein knubbelnasiger Bursche, dem die Gutmütigkeit ins Gesicht gezeichnet ist. Alle anderen Figuren könnten trotz der Westernkostümierung auch in anderen König-Comics in gleicher Gestalt auftauchen. Zumeist kleinteilig geht die Bildergeschichte voran, große Landschaftstableaus sind selten und untypisch für Königs dialogischen Stil. Episoden wie Luckys und Buds Bad im See oder Luckys Zögern, ob er sich rasieren müsse vor dem Einritt in die Stadt, gelingen König witzig. Neben der zentralen Lovestory tritt der "Schwyzer" Chokolatier Sprüngli mit fünf lila Milchkühen auf, die Lucky Luke mit dem arbeitsuchenden Bud ins idyllische Dandelion Valley treibt. Außerdem wird Lucky von Autogrammjägern bedrängt, die Dalton-Brüder dürfen nicht fehlen, und auch Calamity Jane taucht noch auf. Buds Geschichte endet in einem echten Showdown zwischen ihm und Terence vor aller Augen auf der Hauptstraße von Straight Gulch, und Lucky schaut gelassen zu...

Matthieu Bonhomme hat wenig Mut zur Karikatur

Matthieu Bonhommes elegant-mondäner Strich scheint dem Original von Morris zunächst näher zu sein als das kumpelige Zeichnen von König. Sein Hommage-Band entpuppt sich aber bald als zu wenig karikaturmutig. Lucky ist hier der vielfach Verfolgte: Drei Schwestern wetten, wer ihn zuerst rumkriegt. Er trifft auf die drei, als sie daran verzweifeln, ihre Herde zum Verkauf zu treiben, unter anderem drohen Indianer sie zu rauben. Lucky hilft den dreien natürlich. Die Schwestern hat Bonhomme als Schönheiten gezeichnet, hübsch und sexy, es fehlt jegliche Groteske, Satire oder sonst eine witzige Überzeichnung. Zum Zweiten sind alle Arten von Kopfgeldjägern hinter Lucky her, weil plötzlich ein Steckbrief von ihm über 50 000 Dollar auftaucht. In der Geisterstadt Liberty treffen nun alle zusammen und balgen sich bald um Lucky Luke, dessen Kopf so viel Geld hergeben soll: die Banditenbande, die Indianer und sogar die Kavallerie und nebenbei auch ein Verwandter der ewig mit Lucky Luke verfeindeten Dalton-Brüder, der unter Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber seinen berühmten Verwandten leidet und deshalb... Übrigens wechseln auch die drei Schönen die Fronten, als sie von Luckys Steckbrief erfahren.

Matthieu Bonhomme (Text und Zeichnungen): Lucky Luke. Wanted! Eine Hommage. Aus dem Französischen von Klaus Jöken. Verlag Egmont, Berlin 2021. 68 Seiten, 16 Euro (gebunden)/8,99 Euro. (Foto: N/A)

Bonhommes Comic ist flüssig und filmisch erzählt mit Großaufnahmen, Totalen und rasanten Schnitten. Die gebotenen Westernklischees aber werden kaum ironisch oder gar komisch gebrochen. In Morris' Lucky-Luke-Universum gibt es ein immer wieder zu erkennendes Panoptikum wie den Leichenbestatter, den Geier auf den Ortsschildern, die wunderbaren Chargen von dicken Bürgermeistern bis zu grüngesichtigen Galgenvögeln, von Jack-Palance-Doppelgängern bis zu den diversen chinesischen Köchen mit ihren Sprachunzulänglichkeiten. Bonhomme lässt ebenfalls so ein Jack-Palance-Double auftreten, aber die Fallhöhe ist niedrig. Lucky Luke kann hier auch nicht seine Coolness ausspielen und seine allen Situationen gewachsene Souveränität.

Nach solchen Hommagen sehnt man sich am Ende doch nach dem echten "lonesome Cowboy". Gerade die traditionellen Schlussbilder der beiden Bände mit dem in den Sonnenuntergang reitenden Cowboy beschwören den beim gemütvollen Ralf König und dem virtuos-glatten Matthieu Bonhomme dann doch vermissten wahren Zauber von Lucky Luke.

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