Digitale Fantasy-Plattform "Loot":40 000 Euro für ein Wort

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Die von Dominik Hofmann entwickelte digitale Fantasy-Plattform "Loot" hat derzeit ein Handelsvolumen von 150 Millionen Dollar. (Foto: oh)

Digitalpionier Dominik Hofmann hat mit "Loot" eine Fantasy-Plattform geschaffen, bei der jeder mitgestalten und zugleich Geld investieren kann - NTF-Spekulanten sind begeistert.

Von Michael Moorstedt

Dominik Hofmann war seiner Zeit schon immer ein gutes Stück voraus. Vor beinahe zehn Jahren entwickelte der Amerikaner eine Plattform für kurze Videoschnipsel. Vine, so der Name der Plattform, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Wer braucht schon, hieß es damals, Sechs-Sekunden-Clips von fragwürdiger Qualität. So schlimm sei es mit der menschlichen Aufmerksamkeitsspanne nun doch noch nicht bestellt.

Heutzutage ist Tiktok, das mit einer ziemlich ähnlichen Idee an den Start ging, eine der am schnellsten wachsenden Tech-Plattformen überhaupt und hat vor Kurzem erst die magische Marke des Milliardsten Nutzers überschritten. Alle wollen hier mitreden und zur Geltung kommen. Egal, ob sie was zu sagen haben oder nicht.

Es könnte sich also lohnen, darauf zu achten, woran Hofmann momentan gerade arbeitet - um nicht wieder die Zeichen der Zeit zu verpassen. Das Problem ist nur, dass sich der aktuelle Megahit von morgen auch heutzutage schon wieder so obskur anhört. Loot, also so viel wie Beute, heißt sein neuestes Projekt. Eine Art Videospiel soll es sein, sagen die, die schon mitmachen. Nur, dass es noch kein Video dazu gibt, oder Regeln, oder überhaupt ein Spiel. Sondern nur ein paar Zeilen Text.

Bei "Loot" gibt es niemanden, der kreative Entscheidungen kontrollieren kann

Was es dagegen im Überfluss gibt, ist ein ideologischer Überbau. Loot sei das "erste Projekt seiner Art", heißt es auf der Website. "Da es kein Unternehmen, keine Kunst, kein Team und keine Attribute gibt, macht Loot es unmöglich, kreative Entscheidungen zu kontrollieren. Stattdessen handele es sich um den "ungefilterten, unzensierbaren Baustein für Geschichten, Erfahrungen, Spiele und mehr, in den Händen der Community, ohne Kosten". Man strebe "eine vollständige Dezentralisierung" an.

Dazu benutzte Hofmann eine Software, die Namen für verschiedene Waffen, Rüstungsteile und Zubehör ausspuckte. Da gibt es etwa Göttliche Roben, eine Halskette der Erleuchtung oder das Zauberbuch der Titanen. Der Fantasy-Einschlag ist offensichtlich. All diese Wörter sind nun als NFTs, also als einzigartige digital geschützte Objekte, auf der Ethereum-Blockchain gespeichert. Sie sind eindeutig identifizierbar und man kann mit ihnen Handel treiben.

All das wäre eventuell nicht weiter erwähnenswert, wäre da nicht die Tatsache, dass die Text-NFTs zu vollkommen aberwitzigen Summen gehandelt werden. Innerhalb von wenigen Tagen erreichte das Handelsvolumen der, nur um es noch mal zu erwähnen, Wörter, mehr als 150 Millionen US-Dollar. Loot ist dabei nur das letzte Beispiel eines umfassenden Hypes um NFTs. Egal, ob es sich um Pixelkunst oder Football-Sammelkarten handelt - zurzeit ist der Markt voll von Spekulanten, die hoffen, ihre digitalen Kleinode mit schnellem Gewinn zu verkaufen. Der Marktpreis einer Göttlichen Robe liegt momentan bei knapp 40 000 Euro.

Da die Gegenstände nur mit einer einfachen Textbeschreibung versehen waren, entwickelte die neu gegründete Community Kunstwerke, Songs, Geschichten und Merchandise. Die Ausrüstung dient nur als Stichwort. Eine Vielzahl von abgeleiteten Projekten ist so für Loot-Besitzer entstanden, darunter fiktive Landkarten oder Monster, gegen die man kämpfen muss. Man kann Loot vielleicht am besten als Open-Source-Spielplatz beschreiben. Die Nutzer bauen auf den von Hofmann vorgegebenen Rahmen auf und bestimmen durch ihr Engagement den Wert des Spiels selbst. Es ist eine Art Improvisationstheater auf Basis von Kryptowährungen. Hier wie dort ist so gut wie alles erlaubt. Wird die Blase bald platzen? Oder wohnt man hier schon heute der Zukunft des dezentralisierten Entertainments bei? Keiner weiß, was am Ende dabei rauskommt.

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