Lizzo bei den "Grammy-Awards":Keine Macht den Niedermachern

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"Lasst uns weiterhin die Hände ausstrecken, uns gegenseitig unterstützen und emporheben", rief die Sängerin Lizzo bei der Preisverleihung bewegt - und rührte damit sogar die Konkurrenz. (Foto: AFP)
  • Melissa Viviane Jefferson, besser bekannt als Lizzo, war neben Billie Eilish die zweite große Gewinnerin der 62. Grammy-Awards.
  • Die 31-Jährige ist längst zum emanzipativen Star und zur wichtigen Integrationsfigur des Pop geworden.

Von Jan Kedves

"Magisch!", antwortete die Popsängerin Lizzo, als sie in der vergangenen Woche in einem CBS-Interview von der Moderatorin Gayle King aufgefordert wurde, ihr Leben in einem Wort zu beschreiben. Magisch - lässt sich das überhaupt steigern? Man wüsste gerne, wie Melissa Viviane Jefferson - so heißt Lizzo mit bürgerlichem Namen - jetzt auf diese Frage antworten würde, nachdem sie am Sonntagabend in Los Angeles gleich drei Grammys gewann.

Die 31-jährige Sängerin aus Detroit wurde von der Recording Academy für ihre Single "Truth Hurts" (in der Kategorie "Best Pop Solo Performance"), für ihren Song "Jerome" (in der Kategorie "Best Traditional R&B Performance") sowie für die Deluxe-Version ihres Albums "Cuz I Love You" (in der Kategorie "Best Urban Contemporary Album") ausgezeichnet. Lizzo war neben der 18-jährigen Sängerin Billie Eilish, die fünf Preise gewann, also die große Gewinnerin des Abends. Ist das als Wertschätzung dafür zu verstehen, dass die "Entertainerin des Jahres" ( Time Magazine) fantastische Funk- und R&B-Musik macht? Dafür, dass ihre Stimme vom zarten Soul-Säuseln bis zum harten Rappen und Röhren hochvariabel ist und dass sie toll Querflöte spielen kann? Sicher.

Aber Lizzos Grammy-Triumph lässt sich auch als Anerkennung dafür deuten, dass sie zur wichtigen Integrationsfigur im Pop geworden ist - zum feministischen und emanzipativen Star, der den Widerstand gegen Rassismus und vor allem gegen frauenfeindliche Schönheitsideale im wahrsten Sinne verkörpert, und das mit allerbester Laune.

Lizzo ist die gelebte "Body Positivity"

Lizzo startete ihre Karriere um 2010 herum in Minneapolis, wo sie unter anderem mit dem Pop-Gott Prince kooperierte. Als Teenagerin, mit 14 Jahren, hatte sie schon mit dem Rappen angefangen, in einer Gruppe namens Cornrow Clique, später studierte sie an der University of Houston klassische Musik und Querflöte. Heute lebt und arbeitet sie in Los Angeles. Sie schreibt Ohrwürmer, aber nun ja, das tun viele. Ihre stechen nicht zuletzt deswegen hervor, weil Lizzo die gelebte "Body Positivity" ist - also jemand, der für sich gelernt hat, jegliche negativen Zuschreibungen wie "Übergewicht" oder "Plus Size" abzulehnen, wider die gesellschaftliche Diät-Maxime. Lizzo besingt ihre Pfunde stolz, sie preist und feiert sie. Wer sich darüber lustig macht, dem schleudert sie ein grinsendes "Bom Bom Bi Dom Bi Dum Bum Bay" entgegen. So lautet der Refrain ihres Hits "Truth Hurts". Darin gibt Lizzo zu bassbretternden Hip-Hop-Beats einem zögerlichen Liebhaber den Laufpass. In den USA stand sie damit von Anfang September 2019 an sieben Wochen lang auf Platz eins der Billboard-Charts.

Könnten andauernde Körperscham und die Selbst-Niedermachung nicht-dürrer Menschen auf Dauer nicht viel ungesünder sein als ein paar Bonuspfunde auf dem Becken? Die Frage stellt Lizzo mit ihrer Musik und ihrem Auftreten implizit, und ganz explizit. Ihre Songs klingen ohne Übertreibung wie das musikalische Äquivalent zum amerikanischen Soulfood, zu dieser triefenden Frittierküche, die mit einem Bissen glücklich macht und im Mund das Feuerwerk der "Hmms!" entfacht: "Oh mein Gott, das schmeckt so guuut!"

Lizzo verfolgt eine Mission: Sie will denjenigen, denen es schwer gemacht wird von der Gesellschaft, das Leben leichter machen. In ihrer Dankesrede am Sonntag erinnerte sie an das Leid in der Welt und daran, dass Musik helfen könne, es zu lindern. "Lasst uns weiterhin die Hände ausstrecken, uns gegenseitig unterstützen und emporheben", rief sie gerührt den anderen Musikerinnen und Musikern im Publikum entgegen. Das rührte wiederum diese so, dass sogar Konkurrentinnen jubelten, die gegen sie verloren hatten, wie Ariana Grande. Und in der Regie vergaß man dann ganz, das erste Wörtchen aus Lizzos sehr expliziter Gefühlsbeschreibung wegzupiepen. Ihr Sonntagabend in nur einem Wort: magisch.

© SZ vom 28.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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