Little Britain:Abwesenheitsnotiz

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In dieser Woche ist unser Kolumnist ein wenig neidisch, weil alle anderen Urlaub haben. Auch spielen vielerlei Beeren und der große Jeffrey Bernard eine Rolle.

Christian Zaschke, London

Mein Lieblingskoch Hugh Fearnley-Whittingstall hat Urlaub. Das habe ich dem Guardian entnommen. Jeden Samstag schreibt Fearnley-Whittingstall im Magazin des Guardian eine Kolumne, in der es ums Essen geht. Zuletzt hatte er leider eine Schwäche für Gerichte aus Beeren entwickelt, was sich nicht direkt mit meinen Vorlieben deckt. Brombeeren, Himbeeren, Preiselbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren, jede Woche pries Fearnley-Whittingstall eine neue verdammte Sorte Beeren an und präsentierte Beeren-Rezepte. Dass er gerade Urlaub hat, wissen Leser des Guardian, weil samstags in der Zeitung steht: "Hugh Fearnley-Whittingstall is away."

Die Kolumnisten britischer Zeitungen sind derzeit away. (Foto: dpa)

Meine Lieblingskolumnistin Caitlin Moran hat ebenfalls Urlaub. Das habe ich der Times entnommen. Jeden Samstag schreibt Moran im Magazin der Times eine Kolumne, in der es im Wesentlichen um allgemeine Befindlichkeiten, die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft und das möglichst beiläufige Abfeuern von gut abgehangenen Witzen geht. Dass sie Urlaub hat, wissen Leser der Times, weil samstags in der Zeitung steht: "Caitlin Moran is away."

Wer in Großbritannien etwas gilt als Kolumnist, schreibt nicht im Urlaub. Da das Land sich im August nahezu vollzählig an die Küsten verfügt, werden sämtliche Kolumnen derzeit von Aushilfskräften geschrieben. Diese verdanken ihren Auftritt der Tatsache, dass die Star-Kolumnisten zwar so wichtig sind, dass auf ihre Abwesenheit hingewiesen wird, aber nicht so bedeutsam, dass ihr angestammter Platz einfach leer bleibt, wenn sie belieben, ausnahmsweise nicht zu schreiben. Das hat nur Jeffrey Bernard geschafft.

Bernard schrieb bis zu seinem Tod im Jahr 1997 die Kolumne "Low Life", die im Spectator erschien. Meist ging es darum, was sich in seinem Stammpub zutrug, dem Coach and Horses in Soho. In erster Linie trug sich dort zu, dass Bernard sehr viel und dann noch mehr trank, was dazu führte, dass er bisweilen unpässlich war. Oft überredete er Fremde dazu, ihm einen Drink zu spendieren. Manchmal beschied er den Fremden, sobald er den Drink in der Hand hielt, sie mögen sich jetzt bitte schleunigst verpissen. Der Autor Keith Waterhouse hat ein Theaterstück über Bernard geschrieben, das als eines der witzigsten der englischen Sprache gilt. Peter O'Toole spielte bei der Uraufführung 1989 die Hauptrolle.

Wenn Jeffrey Bernard, weil er im Coach and Horses sehr viel und dann noch mehr trank, ausnahmsweise nicht zum Schreiben kam, druckte der Spectator anstelle der Kolumne nur einen Satz auf die weiße Weite der Seite: Jeffrey Bernard is unwell.

© SZ vom 01.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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