Literaturnobelpreis:Handke: "Ich mag Literatur, keine Meinungen"

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Peter Handke bei der Pressekonferenz in Stockholm am 6. Dezember. (Foto: AFP)
  • Bei einer Pressekonferenz anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises 2019 sah sich der Schriftsteller Peter Handke mit zahlreichen Fragen zu seiner politischen Haltung konfrontiert.
  • Die polnische Autorin Olga Tokarczuk, die dieses Jahr nachträglich den Literaturnobelpreis für das Jahr 2018 erhält, sagte zuvor bei ihrer Pressekonferenz, sie sei sicher, dass sie den Preis nicht bekommen habe, weil sie eine Frau sei, sondern, weil sie gute Bücher geschrieben habe.

Auf der Pressekonferenz im Vorfeld der Literaturnobelpreisverleihung am 10. Dezember ist der Schriftsteller Peter Handke kritischen Fragen zu seinen Positionen während der Jugoslawienkriege weitestgehend ausgewichen.

Auf die Frage eines Journalisten, warum er in seinen Schriften Kriegsverbrechen wie das Massaker in Srebrenica noch immer nicht anerkannt habe, antwortet Handke, indem er den Brief eines anonymen Kritikers verlas, der laut Handke auf Klopapier geschrieben worden sei. Im Anschluss entgegnete der Nobelpreisträger dem Journalisten, der die Frage gestellt hatte: "Ich ziehe diesen Brief Ihren ignoranten Fragen vor."

Zuvor hatte Handke, gefragt, ob seine Meinung zum Jugoslawienkonflikt noch immer dieselbe sei wie in den Neunzigerjahren, gesagt: "Ich mag Literatur, keine Meinungen." Angesprochen auf die Frage nach Versöhnung bei diesem Thema sagte Handke außerdem, er träume von der Idee, zwei "einsame" Mütter zu treffen, die ihre Kinder im Krieg verloren hätten: "Eine auf der muslimischen Seite, eine auf der serbischen Seite". Ein Freund aus der Region habe ihm aber davon abgeraten, da diese Idee gegenwärtig nicht realistisch sei. Zu den für Dienstag angekündigten Demonstrationen sagte er, er habe in der Vergangenheit mehrmals versucht, mit Menschen, die gegen ihn demonstriert hätten, zu reden: "Da war kein Dialog möglich."

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Kurz vor der Verleihung des Literaturnobelpreises verlassen zwei Mitglieder die Schwedische Akademie - auch aus politischen Gründen.

Von Thomas Steinfeld

Seit die Schwedische Akademie ihre Entscheidung für Handke im Oktober bekannt gab, tobt eine heftige Debatte darüber in der Öffentlichkeit. Kritiker werfen Handke eine pro-serbischen Haltung während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien vor. Demnach habe der Schriftsteller in Texten und anderen Äußerungen die von Serben in den Neunzigerjahren begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. Auch ein Akadamiemitglied schließt sich der Kritik an: Aus Protest gegen den Literaturnobelpreis fürHandke boykottiert Peter Englund die Nobelwoche. "Peter Handkes Nobelpreis zu feiern, wäre von meiner Seite grobe Heuchelei", teilte Englund, der in den 90er Jahren selbst als Reporter über den Balkankrieg berichtete, mit.

Die polnische Autorin Olga Tokarczuk, die dieses Jahr nachträglich den Literaturnobelpreis für das Jahr 2018 erhält, sagte auf der Pressekonferenz, angesprochen auf das Verhältnis zwischen Politik und Literatur, dass Literatur nicht mit politischem Aktivismus verwechselt werden solle. Sie würde sich vielmehr wünschen, dass ihre Bücher in einem breiteren Sinne als politisch wahrgenommen würden und etwa die Art veränderten, wie die Menschen essen oder reisen. Auf die Frage, was es mit ihr mache, dass sie erst die fünfzehnte Frau sei, die einen Literaturnobelpreis erhielte, antwortete sie mit Stolz: "Ich bin mir sicher, dass ich diesen Preis nicht bekommen habe, weil ich eine Frau bin, sondern, weil ich gute Bücher geschrieben habe."

In diesem Jahr verleiht die Schwedische Akademie zwei Literaturnobelpreise, weil sie die Vergabe 2018 aufgrund interner Streitigkeiten und Skandale aussetzten musste. Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk erhält die Auszeichnung nachträglich für das Jahr 2018, der Österreicher Peter Handke ist der Preisträger 2019.

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