Irische Literatur:Im Schatten der Kirche

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Lisa McInerneys zeichnet in "Glorreiche Ketzereien" ein komplexes, finsteres Bild der irischen Gesellschaft im Griff der Vergangenheit. In der Buchhandlung Lehmkuhl liest sie aus ihrem Roman

Von Christian Jooß-Bernau

Das Skapulier gehört zur Ordenstracht - ein Tuch mit Aussparung für den Kopf. Die kleine Form gibt es auch, sie besteht aus zwei Stoffläppchen, die mittels zweier Schnüre ähnlich getragen werden können wie die große Variante und so auch unter frommen Laien kursiert. Georgie klaute das Skapulier vom Fensterbrett ihrer Mutter: "Weil ein Zuhause etwas war, das ihr verweigert blieb, nahm sie nur, was nicht vermisst werden und ihr als bittersüße Erinnerung daran dienen würde, wie übel sie es verkackt hatte." Lisa McInerney ist eine feinsinnige Autorin, auch wenn ihr Sujet dann und wann darüber hinwegtäuscht. In einem Satz kann sie die Psyche einer Figur offenbaren und als Klangfarbe Gesellschaft und Moral mitschwingen lassen. Georgies Sehnsucht und ihren Masochismus schleifen die Religion erst richtig scharf. Georgie ist Prostituierte, lebte mit Robbie in einem so tristen wie banalen Verhältnis, in dem Sex gegen Drogen getauscht wurden. Das Skapulier band sie an ihrem Arbeitsplatz an den Schubladengriff ihres Nachtschränkchens - ein Akt des Aufbegehrens gegen das Heilige und das Zuhause.

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