Halle (Saale):Lyrik wird vielsprachiger: Rheinland-Pfalz baut Brücken

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Den Problemen bei der Übersetzung von Gedichten widmet sich an diesem Wochenende eine dreitägige Tagung des Netzwerks Lyrik im Literaturhaus Halle an der Saale....

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Edenkoben (dpa/lrs) - Den Problemen bei der Übersetzung von Gedichten widmet sich an diesem Wochenende eine dreitägige Tagung des Netzwerks Lyrik im Literaturhaus Halle an der Saale. Aus der Pfalz ist das Künstlerhaus Edenkoben mit dabei, das Rheinland-Pfalz in einer besonderen Verantwortung in der Kulturvermittlung sieht.

„Das Land ist ein übersetzerisches Land, weil es eine Grenzregion ist zu unterschiedlichen Sprachen“, sagt der Leiter des Künstlerhauses Edenkoben, Hans Thill. Er will in Halle die Erfahrungen aus dem Projekt „Poesie der Nachbarn - Dichter übersetzen Dichter“ einbringen. Dabei lädt das Künstlerhaus Edenkoben einmal im Jahr ausländische und deutschsprachige Lyrikerinnen und Lyriker zu gemeinsamer Übersetzungsarbeit ein. Im gemeinsamen vielstimmigen Dialog entstehen so deutsche Nachdichtungen von fremdsprachigen Texten, die anschließend in einer Lesung vorgetragen und publiziert werden.

Thill verweist im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auf ein italienisches Wortspiel, das den Übersetzer (traduttore) mit dem Verräter (traditore) gleichsetzt. Für Lyrik gelte dies noch mehr als für Prosa. „Ein Gedicht auf Deutsch hört sich ganz anders an als ein Gedicht auf Hebräisch“, sagt Thill, der sowohl Dichter ist als auch selbst Gedichte übersetzt hat, meist aus romanischen Sprachen. „Eine Übersetzung kann nur in seltensten Fällen ein Abbild dessen sein, was im Original da ist.“

Andererseits gebe es ein großes Bedürfnis nach Gedichten aus anderen Sprach- und Kulturräumen. „Ohne Übersetzungen würden wir verhungern, weil wir die ganze Weltpoesie nicht hätten“, führt Thill aus.

Wege zur Problemlösung sind zweisprachige Veröffentlichungen oder auch unterschiedliche Übersetzungen von ein und demselben Gedicht. Auch gebe es zunehmend mehr Dichter in Deutschland, die selbst vielsprachig arbeiten, etwa Menschen mit Migrationserfahrung. „Das zeitgenössische Gedicht nimmt die Mehrsprachigkeit als eine Tugend an.“ So sei die Trennwand zwischen poetischem Schreiben und Übersetzen durchlässiger geworden.

Die im Frühjahr entbrannte Debatte über die angemessene Übersetzung des Gedichts „The Hill We Climb“, das Amanda Gorman bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden vortrug, ist Thema der abschließenden Podiumsdiskussion der Tagung, deren Beiträge online übertragen werden. Die Debatte sei ein Scheingefecht, sagt Thill. Beim Übersetzen gehe es immer um das Fremde und nicht um das Eigene. „Jeder darf sich zum Übersetzen eingeladen fühlen, die Welt des geistigen Austauschs ist nicht regulierbar.“

© dpa-infocom, dpa:211105-99-874396/2

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