Elektro-Pop zwischen Iran und Israel:Das verbotene Album

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Liraz Charhi ist Jüdin mit iranischen Wurzeln. Sie singt auf Farsi. (Foto: Ronen Fadida)

Iranern ist der Kontakt mit Israelis gesetzlich verboten. Trotzdem hat Liraz Charhi, israelische Sängerin, ein Album zusammen mit Musikern aus Iran aufgenommen. Über ein riskantes Projekt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ihre Familie hat sie gewarnt: Du wirst in einer Nische landen! "Nische klingt toll für mich", hat Liraz Charhi geantwortet. Ihr Vater war besorgt: Du musst vorsichtig sein, das ist sehr gefährlich! Liraz Charhi hat gesagt: "Ich muss das trotzdem machen." Dann ist sie in ihr kleines Studio gegangen, mitten in Tel Aviv, hat gezoomt und geskypt, unzählige Telegram-Nachrichten hin- und hergeschickt - und am Ende ist ein bislang einmaliges Projekt herausgekommen: Liraz Charhi, die Sängerin aus Israel, hat ein Album aufgenommen, zusammen mit Musikern aus Iran.

Sie singt auf Farsi, die Elektrobeats werden gemixt mit persischen Retroklängen - und diese kulturelle Kollaboration ist Underground-Musik im tatsächlichen Wortsinn. Denn alles an diesem Album musste im Geheimen aufgenommen werden. Schließlich liegen zwischen Tel Aviv und Teheran, zwischen dem jüdischen Staat und dem islamischen Gottesstaat, die härtesten Fronten. "Die Politik sagt, wir sind Feinde", erklärt Liraz Charhi. "Doch damit bin ich nicht einverstanden. Unsere Botschaft ist: Israel liebt Iran, und Iran liebt Israel."

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Politisch mag das naiv klingen, persönlich ist das logisch. Denn Liraz Charhi ist Jüdin mit iranischen Wurzeln. Ihr Vater ist 1964, ihre Mutter 1970 aus Iran nach Israel gekommen. Damals herrschte noch der Schah in Teheran, es gab enge Verbindungen zwischen beiden Ländern. Das alles brach radikal ab mit der Islamischen Revolution von 1979.

Liraz Charhi wurde 1978 in Israel geboren. In der Heimat ihrer Eltern ist sie noch nie gewesen. Doch die Eltern hatten diese Heimat mitgebracht, ins Wohnzimmer und in die Küche ihrer Wohnung in Ramat Hascharon bei Tel Aviv. "Sie wollten so israelisch sein, wie es nur ging, doch das hat nicht geklappt", sagt sie. "Die Sprache, die Kultur, das Essen - alles war bei uns persisch." Als Kind hat sie das zerrissen. "Jedes Mal, wenn ich von zu Hause zur Schule kam und andersherum, habe ich mich gefühlt, als würde ich das Land wechseln."

Geändert hat sich das erst vor einigen Jahren in Los Angeles. Als sie dorthin kam, war sie in Israel längst bekannt als Schauspielerin und Sängerin. Sie ist oft in Filmen und im Fernsehen zu sehen, zuletzt auch auf Apple TV in der spannenden Serie "Teheran", wo sie eine Mossad-Agentin mit iranischen Wurzeln spielt. Auch in Hollywood ist es gut angelaufen für sie. In "Fair Game" hat sie 2010 an der Seite von Naomi Watts und Sean Penn gespielt oder mit Philip Seymour Hoffman 2012 in "Saiten des Lebens". Doch vor allem hat sie an der amerikanischen Westküste zu ihren persischen Wurzeln gefunden. Los Angeles nennt sie "Teherangeles".

"Ich kann beides sein, israelisch und iranisch"

In der größten iranischen Diaspora der Welt hat sie das alte Teheran ihrer Eltern entdeckt, säkular und lebensfroh. Das nicht-koschere iranische Essen hat sie genossen und sich in einem Musikgeschäft mit Platten und CDs eingedeckt, vor allem mit persischem Pop aus den Siebzigern. "All das hat mir die Augen und die Seele geöffnet", sagt sie. "Ich muss mich nicht entscheiden, ich kann beides sein, israelisch und iranisch."

Zurück in Israel hat sie sich wieder mehr aufs Singen konzentriert - doch jetzt nicht mehr auf Hebräisch, wie bei ihren ersten Alben, sondern auf Farsi, in der Sprache ihrer Eltern und Großeltern. 2018 erschien das Album "Naz", eingespielt mit israelischen Musikern und Exilanten. Es hat trotzdem seinen Weg gefunden bis nach Teheran, und plötzlich bekam Liraz Charhi ständig Nachrichten aus Iran. "Wie ist es möglich, dass eine israelische Sängerin auf Farsi singt?", fragte einer. "Mach weiter, du singst auch für uns", wünschte eine andere. Ein iranischer DJ hat ihr schließlich ein Video geschickt von einer Underground-Party in Teheran, das hat sie so richtig begeistert: "Da haben Frauen auf meine Musik getanzt." In der Öffentlichkeit ist Frauen das Tanzen in Iran verboten.

"Für mich war es die erste wirkliche Verbindung zu Menschen in Iran", sagt sie, "und von da an habe ich diesen verrückten Traum gehabt, ein Album mit iranischen Musikern zu machen." Ein bisschen verrückt ist das, weil man zum Proben und zum Aufnehmen nicht zusammenkommen kann und bestenfalls ein paar Skype-Sessions schafft, mit wackligen Bildern und verzerrten Tönen. Doch wirklich verrückt ist es, weil jeder Kontakt zu Israelis in Iran per Gesetz verboten ist und unter strengen Strafen steht.

"Technisch war es schwierig, aber emotional noch schwerer", sagt sie und erzählt von schlaflosen Nächten und der ständigen Angst, dass einer ihrer fernen Freunde wegen des tollkühnen Projekts ins Gefängnis geworfen wird. Mehr als die Hälfte der anfangs Beteiligten sind zwischendurch ausgestiegen, keiner wird beim richtigen Namen genannt, und immer wieder hat sie sich auch selbst gefragt, warum sie das macht und die anderen in Gefahr bringt. Ihre Antwort: "Das ist der einzige Weg, wie wir auf die politische Situation antworten können."

Träume dürfen verrückt sein, und Liraz Charhi hat sich ihren Traum erfüllt. Das Album "Zan" - auf Farsi heißt das "Frau" - ist Mitte November beim Label "Glitterbeat" erschienen. Und der nächste Traum? "Ich möchte nach Teheran reisen", sagt sie, "und ich möchte dort von Dach zu Dach springen, so wie das meine Eltern aus ihrer Kindheit erzählen."

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