Kurzkritik:Zart verknistert

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"Lambchop" in der Muffathalle

Von Martin Pfnür, München

Als in der ebenso filigran angebahnten wie endlos ausgespielten Zugabe "The Hustle" tatsächlich einige Besucher zum zart verknisterten Synthie-Beat des Songs in Bewegung geraten, ist Kurt Wagner regelrecht von den Socken. "Schau sich das mal einer an! Es gibt doch wirklich Menschen, die zu dieser Musik tanzen!", staunt er. "Aber hey, ihr könnt natürlich verdammt noch mal tun, was ihr wollt - genau das mache ich ja auch."

Nun dürfte Letzteres zwar jeder halbwegs ambitionierte Musiker von sich behaupten. Die Konsequenz und die Verschrobenheit aber, mit der Kurt Wagner seit drei Jahrzehnten sein ganz eigenes, wunderbar wohltemperiertes und stilistisch offenes Americana-Ding durchzieht, kommt einem dann aber doch nicht allzu oft unter. Denn wer bitte überschreibt sein Lebensprojekt schon mit dem englischen Ausdruck für "Lammkotelett" und veröffentlicht dann etwa Alben, die er nach Meisterwerken ("Thriller"), oder Meisterwerke, die er nach skandalumwitterten US-Präsidenten ("Nixon") benennt? Tja.

Ebenjene Verschrobenheit ist es allerdings auch, die diesen Abend zu einem eher mittelprächtigen macht. Anstatt sich aus einem Fundus zu bedienen, ob dessen Reichhaltigkeit zwischen üppig orchestrierten und erhebend souligen, verhuscht folkigen und vertrackt jazzigen Aspekten man ihn nur bewundern kann, setzen Wagner und sein Begleitquintett in der Muffathalle nahezu gänzlich auf die jüngste Lambchop-Inkarnation auf den Alben "Flotus" und "This (Is What I Wanted To Tell You)". Eine klug elektrifizierte, luftig strukturierte und meist komplett entschleunigt aus feinsten Klangpartikeln zusammengetupfte Atmosphärenmusik ist das, die da den Hintergrund für Wagners Autotune-Gegurgel bildet.

Und dennoch, bei aller Liebe, mit der diese sechs Ausnahmekönner aus Nashville die Songs via Keyboard, Drums, Gitarre und Bass vermehrt ins Analoge rüberheben, sie bisweilen auch mal sacht aufwogen oder mit wunderhübsch verflochtenen Steelguitar- und Saxofon-Drones ins Ätherische gleiten lassen: Ein bisschen mehr melodischer Drive, wie etwa jener des traumhaft schön dargebotenen finalen "Nixon"-Bonbons "Up With People", hätte hier auch zwischendurch mal sehr gut getan.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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