Kurzkritik:Sanfte Macht

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Der Wiener Violinist Emmanuel Tjeknavorian und das Bruckner Orchester aus Linz weisen das Münchner Prinzregententheater mit Beethoven und Bruckner in seine Schranken: Für so viel Klang ist es schlicht zu klein

Von Harald Eggebrecht, München

Für die Fortissimo-Entladungen des sorgfältig blasenden Blechs, die Gewitter der Kesselpauken und die Masse Klang des zwar nicht riesig, aber doch groß besetzten Bruckner Orchesters aus Linz bei Anton Bruckners siebter Symphonie unter der gradlinig handfesten Leitung von Markus Poschner sind die Dimensionen des Prinzregententheaters einfach zu klein. Das krachte und tutete einem schon heftig um die Ohren und verstärkte so den Eindruck des geheimnislos Direkten. Von einer klangräumlichen Strukturierung war kaum etwas zu erleben, Poesie und Lyrik gerade im Adagio hatten kaum eine Chance, auch weil Poschner wenig mehr tat, als den "Laden" gut zusammenzuhalten. Das Orchester achtete in den einzelnen Sektionen auf ein gutes Miteinander, ohne doch wirklich die Kunst des gegenseitigen Aufeinanderhörens allzu weit zu treiben. So blieb am Ende gewissermaßen der Eindruck einer passablen Außenansicht von Bruckners Siebter, die wenig an räumlicher und innerer Perspektive bot.

Vor der Pause trat als Solist in Ludwig van Beethovens Violinkonzert einer der interessantesten aus der Phalanx junger und jüngster Geigerhelden auf, der 24-jährige Emmanuel Tjeknavorian aus Wien. Sofort fällt sein makelloser, lichter und dichter Ton auf, die geschmeidige Bogenführung, der Sinn für Phrasierungszusammenhänge und die auf die Realisierung der Komposition ausgerichtete Virtuosität. Das aber, was Tjeknavorian jenseits aller tollen geigerischen Mittel heraushebt, ist die Hingabe an die sanfte Macht der Musik. Auch bei höchster Kraftentfaltung gibt es kein Röhren in der Tiefe, kein Schreien in der Höhe.

Tjeknavorian versteht Beethovens Konzert auch in den Geläufigkeitsstellen gerade des Kopfsatzes stets melodisch, gesanglich, nie als technisches Kabinettstück. Zwar neigt er dazu, vor Spitzentönen gern etwas abzustoppen, um sie gleichsam von oben zu setzen, auch gibt es allzu absehbar kleine Brems-Rubati, aber der sanfte Glanz dieses Geigenspiels überzeugt unmittelbar.

Diese Rezension ist zuerst am 26. November 2019 in der SZ erschienen.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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