Kunst:Dauerzwist: Zehn Jahre Beutekunst-Dialog

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Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagt: „Vertrauen ist alles.“ (Foto: Soeren Stache)

Berlin (dpa) - Seit dem spektakulären Fund der Gurlitt-Sammlung in München sorgt der Umgang mit NS-Raubkunst immer wieder für Schlagzeilen. Fast vergessen ist dagegen ein Thema, bei dem es in den Wirren des Kriegsendes ebenfalls um das Schicksal riesiger Kunstschätze ging.

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Berlin (dpa) - Seit dem spektakulären Fund der Gurlitt-Sammlung in München sorgt der Umgang mit NS-Raubkunst immer wieder für Schlagzeilen. Fast vergessen ist dagegen ein Thema, bei dem es in den Wirren des Kriegsendes ebenfalls um das Schicksal riesiger Kunstschätze ging.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lagern immer noch mehr als eine Million Werke, die die Rote Armee nach ihrem Einmarsch in Deutschland als „Beutekunst“ abtransportieren ließ.

Der Deutsch-Russische Museumsdialog, der am Montag und Dienstag (16./17. November) zehn Jahre nach seiner Gründung zu einer Festveranstaltung in Berlin zusammenkommt, wirft jetzt wieder ein Schlaglicht auf das heikle Thema. Die zunächst rein deutsche Initiative hatte sich 2005 gegründet, weil das politische Tauziehen um eine Rückgabe der teils hochkarätigen Schätze seit Jahrzehnten auf der Stelle trat.

Hermann Parzinger, deutscher Sprecher der Initiative und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zieht im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur eine positive Bilanz. „Mittlerweile ist ein partnerschaftliches Verhältnis mit den russischen Kollegen entstanden, es gibt eine sehr offene Dialogsituation“, sagt er. „Vertrauen ist alles.“

Insgesamt hatten die sowjetischen „Trophäenbrigaden“, wie sie offiziell hießen, zwischen 1945 und 1947 mehr als 2,5 Millionen Kulturgüter aus deutschen Museen und Sammlungen in die UdSSR gebracht. Rund 1,5 Millionen Werke gab Moskau in zwei spektakulären Aktionen bis 1958 an die sozialistische Schwester DDR zurück, darunter Glanzstücke wie Raffaels „Sixtinische Madonna“ und den Pergamonaltar, der heute die Hauptattraktion auf der Berliner Museumsinsel ist. Der Rest lagerte irgendwo in russischen Depots.

Von den Verlusten betroffen sind deutschlandweit vermutlich 87 Museen. Die Kulturstiftung der Länder gehört deshalb zusammen mit der für die Berliner Museen zuständigen Preußenstiftung zu den Trägern der Initiative. „Uns war von Anfang an klar: Unsere Glaubwürdigkeit hängt daran, dass wir uns nicht nur für die Verluste der deutschen, sondern auch für die Verluste der russischen Museen interessieren“, sagt Generalsekretärin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Zwei große Projekte hat der Museums-Dialog nach Angaben von Projektleiterin Britta Kaiser-Schuster bereits auf den Weg gebracht. Einmal entstand durch die Auswertung von sowjetischen Transport- und Verteilungslisten der Trophäenbrigaden eine umfangreiche Datenbank, die Auskunft über mehr als 100 000 „kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter“ gibt, so der offizielle Begriff. Museen in Deutschland können damit das Schicksal verlorener Kunstwerke weiter verfolgen.

Ein zweites Forschungsprojekt widmet sich an exemplarischen Beispielen der Geschichte der russischen Museen während des deutschen Eroberungskrieges seit 1941. Denn auch die russische Seite beklagt verheerende Verluste - insgesamt sollen 172 Museen durch Plünderung, Zerstörung oder Raub 1,1 Millionen Kunstwerke verloren haben. Das immer noch verschollene Bernsteinzimmer ist das bekannteste Beispiel.

Die Führung in Moskau nimmt das Wüten von Nazi-Deutschland bis heute als Grund, die Rückgabe von Beutekunst zu verweigern. Das deutsche Kulturgut sei als Kompensation für die Zerstörungen der Wehrmacht zu russischem Eigentum geworden, schrieb die Duma 1998 gesetzlich fest.

Noch vor zwei Jahren wäre ein gemeinsamer Besuch von Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Petersburger Eremitage wegen der dort gezeigen Beutekunst beinahe geplatzt. „Wenn wir irgendeine Bewegung nach vorne wollen, dann dürfen wir dieses Problem nicht aufblasen“, warnte Putin damals.

Als gutes Zeichen sieht es Projektleiterin Kaiser-Schuster, dass allein jetzt zu der Tagung rund 50 Kollegen aus Russland kommen. Neues gemeinsames Vorhaben ist etwa die ab Frühjahr geplante Cranach-Schau im Puschkin Museum in Moskau: Acht wertvolle Leihgaben aus der Sammlung in Gotha sollen erstmals zusammen mit den dortigen Werken des berühmten Renaissance-Malers gezeigt werden - sie stammen ursprünglich auch aus Gotha und wurden 1945/46 von der Roten Armee in die Sowjetunion gebracht.

Wermutstropfen: Bei uns ist eine solche „Wiedervereinigung“ nicht möglich. Denn Deutschland hält den Besitz von Beutekunst für völkerrechtswidrig. „Die deutsche Regierung wäre nach dieser Rechtsauffassung verpflichtet, Leihgaben zu beschlagnahmen - mit der Folge, dass es natürlich nie zu einer Ausstellung in Deutschland kommt“, sagt Pfeiffer-Poensgen. „Aber wir haben einen langen Atem.“

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