Kultfigur:Transzendent genug

Es ist der Bowie von "Life on Mars" und "Heroes", der hier lazarusmäßig aus der Grube gefahren kommt. Der Bowie von "Let's Dance" und all den merkwürdig rumpelnden Rock 'n' Roll-Nummern, die seine Alben eher voll- als ausmachten, bleibt, was nicht traurig ist, drinnen.

Es ist, als ob das, was sich irdisch oder sogar erdig geben wollte, seiner Natur gemäß am Boden bleiben müsste, weil nur die Asche aus "Ashes to Ashes" und was sonst noch leicht und ätherisch und transzendent genug ist, Wiederauferstehung feiern darf. Es ist nämlich vor allem die Wiederauferstehung von Bowie als Alien.

Das Stück ist nicht zu begreifen ohne den Film "The Man Who Fell to Earth", in dem David Bowie einst einen Außerirdischen mit dem Namen Thomas Newton spielte, der zum Wasserholen auf die Erde geschickt wird und dort dem Sex und dem Alkohol verfällt.

Die Geschichte hatte Walter Travis 1963 in einem Roman entworfen, und Nicolas Roeg hatte 1976 einen Film daraus gemacht, in dem Bowie endgültig zum Messias all derer wurde, die sich ebenfalls ein wenig wie ein Fisch an Land fühlen in diesem Leben und in dieser Welt.

Es soll, heißt es, Bowies Idee gewesen sein, mal nachzuschauen, wie es Thomas Newton heute geht. Zusammen mit dem irischen Dramatiker Enda Walsh wurde ein Stück geschrieben, in dem Newton reich, gelangweilt und alkoholabhängig in einem Apartment auf der 2. Avenue, also gleich um die Ecke vom Theater, seine Tage vorm Fernseher verdöst. Eine Assistentin, emotional nicht ganz im Reinen mit sich selbst und ihrem eigentlichen Freund, versucht, ihn zu verführen.

Newton ist aber eher von einem 14 Jahre alten Mädchen besessen, das es erstens wohl nur in seiner Einbildung gibt, das zweitens bei einem Gewaltverbrechen gestorben ist, drittens aber unerlöst in einer Art Limbo herumirrt, um Newton zu erlösen, der dann jedoch auf Geheiß eines besonders teuflischen Teufels wiederum sie . . . Egal. Es sieht jedenfalls fantastisch aus, denn das Blut, das dann über die Bühne fließt, ist logischerweise reine, weiße Vollmilch.

Selbst die neuen Bowie-Songs klingen wie alte

Endlich mal wieder ein Plot, den man nicht nacherzählen kann, ohne wie auf Drogen zu wirken. Und das Beste ist: Alle paar Minuten machen diese wundervollen Schauspieler Pause, um einen alten Bowie-Song zu singen. Und das Allerbeste: Selbst die neuen Bowie-Songs klingen jetzt im Großen und Ganzen wie alte, nur neuer natürlich. Gute Nachrichten für alle, die sich bereits seit dem Ende der Siebziger auf die nächste richtig gute Bowie-Platte freuen. Anfang Januar könnte es mit "Black Star" so weit sein.

Kurz danach wird dann dieses kleine, zarte, außerirdische Musical im East Village von New York abgesetzt. Wer das dann nicht irgendwo auf einer anderen Bühne nachmacht, kopiert und in Umlauf bringt, dem ist wirklich nicht zu helfen.

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