Konzert:Zurück zu zweit

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So wie einst im Fischerstüberl: Steve Wynn

Von Dirk Wagner, München

Bevor die kalifornische Rockband The Dream Syndicate am 24. September 1988 ihr letztes Konzert in München spielen konnte, musste sie erst einmal das für den selben Tag gebuchte Konzert von Willy Michl im Schlachthof abwarten. Kaum hatten dessen Zuschauer den Konzertraum verlassen, drängten die Dream-Syndicate-Fans um Mitternacht zu den vorderen Plätzen des zum Teil noch mit Bierbänken ausstaffierten Raums. Zwar hatten Mitarbeiter auf Geheiß der Band schon einige Bänke weggeräumt. Aber ausgerechnet die Tische unmittelbar vor der Bühne blieben stehen.

"Ich kam mir vor wie Frank Sinatra in Las Vegas", kommentierte später der Sänger Steve Wynn jenes Setting. Dabei war nichts absurder, als seine Show im Sitzen zu goutieren. Angefangen mit dem Blind-Lemon-Jefferson-Cover "See My Grave Is Kept Clean" bis hin zum eigenen epischen Meisterwerk "John Coltrane Stereo Blues" lieferten The Dream Syndicate eine Midnight-Show, die das Aufbegehren späterer Punk-Ikonen mit dem psychedelischen Gitarrenrock der Sechzigerjahre vereinte. Als wollte der Gitarrist Paul B. Cutler zudem beweisen, dass man mit Gitarrensaiten formvollendete Gurkenscheiben schneiden kann, schredderte er damals eine Gurke, mit der er einen Song lang wild in die Saiten drosch.

Nach der Tournee lösten sich Dream Syndicate auf. Ihr Sänger Steve Wynn, der bis dato schon mal alleine als Gastmusiker bei REM oder Green On Red aufgetreten war, widmete sich von da an seiner Solokarriere, in der er sich als Rockmusiker ebenso behauptete wie als Singer-Songwriter. "Hardcore in den Neunzigern ist schließlich kein Punk sondern Nostalgie", hatte er mal seine ruhigeren Auftritte begründet. Etwa im Substanz, wo ihm das Publikum auch mal aufmerksam lauschend zu Füßen saß, so, als wäre er mehr ein Märchenerzähler als ein Rockmusiker. Kaum aber hatten sich die Fans an den besinnlicheren Singer-Songwriter Steve Wynn gewöhnt, kehrte der auf der nächsten Tournee begleitet von der Rockband Come zurück. "Ich stelle fest, ihr seid ein sehr leises Publikum", begrüßte er damals die gespannt wartenden Zuschauer. Dann setzte er nach: "Sorry, wir sind es nicht"; und die Gitarristen Thalia Zedek, Chris Brokaw und Steve Wynn ließen ihre Instrumente mit lauten Rückkopplungen aufheulen. Erst allmählich nahm das Fiepen, Kreischen und Brummen Songstrukturen an, so als wollte die Band den üblichen Exzess einer Rockshow mit seinen destruktiven Momenten gegen Ende umkehren.

Weil Wynns deutsche Plattenfirma Enemy Records ihren Sitz noch in München hatte, war er so regelmäßig hier, dass es sich für ihn schon fast wie nach Hause kommen anfühlte. Da waren die Konzerte mit Gutterball, mit Miracle 3, dem Steve Wynn Quintett oder solo in der Muffathalle und der Südstadt, im Substanz, Feierwerk, und Club 2. Und da waren zum Beispiel die geselligen Runden nachts im Fischerstüberl, einem Wirtshaus in der Lindwurmstraße, das gerne von Musikern besucht wurde, weil sie hier bis vier Uhr morgens, also auch noch nach ihren Konzerten etwas zu Essen bekamen. Irgendwann wechselte Wynn die Plattenfirma, und seine München-Besuche wurden seltener.

Obwohl seine wiedervereinten Dream Syndicate mehrmals durch Europa und Deutschland tourten, waren sie in München nicht mehr zu hören. "Ich bin selbst überrascht, das müssen wir bald ändern", sagt Wynn. Zunächst gastiert er nun aber zusammen mit dem Keyboarder Chris Cacavas im Unter Deck. Natürlich werden dann auch die Klassiker zu hören sein, mit denen sich Cacavas neben seinen vielen Gastauftritten in befreundeten Bands wie Giant Sand als Singer-Songwriter behaupten konnte. Unter einem Pseudonym hat sich der musikalisch neugierige Cacavas sogar mal im Techno versucht. Er kommentiert den Versuch allerdings mit der Einsicht: "Nur weil ich John Coltrane liebe, kann ich ja auch nicht Saxofon spielen."

Steve Wynn und Chris Cacavas , Sonntag, 1. Dezember, 20 Uhr, Unter Deck, Oberanger 26

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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