Konzert:Stimme der Träumer

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Weltmusiker: Der Münchner Gregor Huebner (vorne) gastiert mit seinem "El Violin Latino"-Projekt in der Bar Gabanyi. (Foto: Privat)

Der Violonist und Komponist Gregor Huebner zelebriert die musikalische Mehrsprachigkeit. Beim Heimspiel in der Bar Gabanyi stellt er das neue Album der Reihe "El Violin Latino" vor

Von Dirk Wagner

Ich möchte an eine Welt glauben, in der es keine Länder gibt", singt Yumarja Grijt im Titelstück des dritten Albums der Reihe "El Violin Latino" (GLM Music). Seit 2014 überliefert der aus München stammende Violinist Gregor Huebner in dieser Reihe die Geige der lateinamerikanischen Musik, die der dritte Teil auf eine kubanische Spielart konzentriert. "Los Sonadores" heißt er im Untertitel, was "Die Träumer" bedeutet.

Richtiger ist allerdings auch im Deutschen die englische Übersetzung "Dreamer". So werden in den USA nämlich jene illegal ins Land gekommenen Kinder von Immigranten genannt, die über den "DREAM-Act" (Development, Relief and Education for Alien Minors Act) die Möglichkeit einer Ausbildung einschließlich der damit verbundenen Förderungsmaßnahmen und einer anschließenden Einbürgerung zugestanden bekamen. Am 5. September 2017 forderte Donald Trump das Ende des Gesetzes zur Entwicklung, Entlastung und Erziehung für ausländische Minderjährige. Einen Monat später gab Gregor Huebner dann den Dreamern eine Stimme.

"Lasst mich lernen, lasst mich wachsen", schreit diese als Violine, die sich klagend über die behutsamen Klavierfiguren des Pianisten Klaus Mueller legt. Begleitet von einer Rhythmussektion, aus der sich John Benitez mit anmutenden Bassläufen erhebt. Oder als Gesang der Sängerin Yumarja Grijt, der zwischen Englisch und Spanisch wechselt. Genau so, wie es auch bei Einwanderern üblich ist, die angesichts solcher Ungerechtigkeiten ihre Sprachlosigkeit in zwei Sprachen auszudrücken versuchen: in der ihres Herkunftslandes und in der ihrer neuen Identität. Huebner, der in der zeitgenössischen Kammermusik ebenso beheimatet ist wie in der Jazzmusik, weiß diese Mehrsprachigkeit freilich auch rein musikalisch auszuleben. Etwa, wenn er das bekannte John-Coltrane-Stück "Equinox" gleich zu Beginn des neuen Albums als kubanische Musik offeriert, die so zwar etwas schwungvoller, aber rhythmisch gar nicht so weit vom Original entfernt erscheint. Deutlich unterschiedlicher wirkt hier Huebners Geige, die quasi die Rolle von Coltranes Saxofon übernimmt.

Dass diese Transformation gelingt, bestätigt die Möglichkeiten einer Zuwanderungsgesellschaft, auf deren Anforderung eine improvisierte Musik, wie sie vor allem die Jazzmusik vorlebt, die Gesellschaft wohl am besten vorbereitet. Lehrt die improvisierte Musik doch das aktive Zuhören und die Fähigkeit, sich gleichzeitig auf die Vorgaben der Mitmusiker einzulassen wie diese selbstbestimmt zu beeinflussen. So wie Huebners Eigenkompositionen auf seinem dritten "El Violin Latino"-Album immer auch das Werk der großartigen Musiker sind, die er für sein Projekt ins Studio geholt hat.

Huebner, der vor allem in der New Yorker Musikszene zu Hause ist, ist nicht nur dank seiner Professur an der Musikhochschule auch in München ein wichtiger Förderer der Musikszenen. Sein Gastspiel in der Bar Gabanyi ist zugleich das Heimspiel eines Menschen, der mittels seiner Musik in der gesamten Welt daheim zu sein scheint. In einer Welt ohne Länder eben.

El Violin Latino , Do., 21. März, 20.30 Uhr, Bar Gabanyi, Beethovenplatz 2

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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