Konzert:"Liebe ist schöner als Wut"

Lesezeit: 2 min

Die Musikerin Wallis Bird macht sich auf ihrem neuen Album "Woman" Gedanken zur aktuellen Lage, engagiert sich für den Feminismus und für das Recht, in Sicherheit und Freiheit zu leben

Von Anna Weiss

Wallis Bird muss sich im Gespräch nicht warmlaufen, diese Dame brennt die ganze Zeit. Für ihre Musik, für Menschen, für Themen, die sie berühren. Das sind momentan vor allem Toleranz und Feminismus. Deswegen heißt ihr aktuelles, sechstes Studioalbum auch "Woman". Die in Berlin ansässige Musikerin hat die Idee zu der Platte aus ihrer Wut auf die bestehenden Verhältnisse gezogen. "Was in der Welt im Moment alles passiert, ist der Wahnsinn. Die ,Me Too'-Debatte hat mich aufgerüttelt", sagt die 37-jährige Irin. Sie selbst kennt sexuelle Anzüglichkeiten, die ungefragt auf ein junges Mädchen einprasseln. Dass eine weltweite Bewegung wie "Me Too" es schaffte, Diskriminierung und Missbrauch von Frauen sichtbar zu machen, ist für sie eine Erleichterung. Musik und Feminismus möchte sie nicht trennen.

Frausein ist für sie ein offener Begriff, Wallis Bird will Klischees brechen. "Ich hab' mir Anfang des Jahres die Haare abrasiert und mich noch nie so sehr wie eine verdammte Frau gefühlt", sagt sie entschieden. Trotzdem ist der Kampf, für Frauenrechte ein harter, vor allem in ihrem Heimatland Irland. "Dass Abtreibungen legalisiert werden, war ein großer Schritt in die richtige Richtung", sagt Wallis Bird. Bis 2018 waren in Irland Abtreibungen auch in Fällen von Inzest und Vergewaltigungen untersagt.

Als uneitler, politischer Hippie hat Wallis Bird keine Angst vor großen Gefühlen. (Foto: Jens Oellermann)

Die von ihr erwähnte Wut war aber nicht nur die Initialzündung für das Album, sondern auch wertvoll für die Erkenntnis, dass sie nicht gerne verärgert und destruktiv ist. "Ich will lieber Positives erschaffen. Liebe ist schöner als Wut", sagt sie. Bird lebt gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin glücklich in Berlin, liebt ihre Arbeit.

Ihr Song "As The River Flows" eine musikalische Abhandlung über das Thema Flucht, ist trotzdem wütend. Sie singt nicht nur, dass die Menschheit schon immer auf dem Planeten weitergezogen ist, sondern auch, dass es das Recht jeder Person sei, sich einen sicheren Ort zum Leben zu suchen. In dem Stück, das dem auf der Flucht ertrunkenen Jungen Alan Kurdi gewidmet ist, wendet sie sich direkt an Menschen, die wegen Grenzen die Menschlichkeit vergessen. Der Song ist poppig aber intensiv. Bird und ihr Label ordnen ihn dem selbstgeschaffenen Genre "Solk", einer Mischung aus Soul und Folk, zu.

Tatsächlich lässt die Künstlerin den Folk, der sie bekannt gemacht hat, bis auf einige Elemente hinter sich. Ihr Album enthält zwar Soulanleihen, klingt in der Studioversion aber vorrangig nach Popmusik, das groovige Stück "Salve!" etwa. Momentan ist sie mit ihrem neuen Album auf Tour. Diese steht unter dem Motto "New Moon". Warum nicht "Woman"? "Der Neumond steht für einen Neuanfang. Außerdem ist er ein wichtiger Planet für die Erde, da er die Menschen mit seinen Phasen beeinflusst", sagt sie. Bird spricht schnell und fließend Deutsch, hat einen irischen Akzent und flucht am liebsten auf Englisch. Ihre herzliche Art und ihre Selbstironie nehmen ihren Sätzen manchmal das Pathos. Im Gespräch gibt es Momente, in denen sie sich selbst unterbricht: "Oh Gott, das war kitschig", kommentiert sie ihre Aussage, dass jeder Tag ein Schultag sei - die Schultagsmetapher für lebenslanges Lernen verwendet sie aber auch in dem Lied "That's What Life Is For".

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Tatsächlich hat Bird für dieses Album viel gelernt. Neben einem offenen Blick auf die Welt und Interesse an ihren Mitmenschen hat sie sich intensiv mit ihren Instrumenten auseinandergesetzt, bei der neuen Tour wird sie hauptsächlich alleine spielen. "Ich habe unzählige Stunden damit verbracht, neue Stile auszuprobieren und neue Techniken zu lernen. Ich wollte immer besser werden", sagt sie. Und sie möchte mit ihrer Musik auch die Welt immer besser machen. Das kündigen auch die plakativen Songtitel - "Love Peace Respect" - an. Manchmal sorge sie sich, dass sie zu sehr wie eine Hippie-Braut klingt. Was aber nicht verwerflich ist. Uneitle und politische Hippies wie Bird gibt es in der deutschen Musiklandschaft schon lange nicht mehr.

Wallis Bird , Freitag, 25. Oktober, 20 Uhr, Technikum, Speicherstr. 18

© SZ vom 25.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: