Kolumne: Deutscher Alltag:Friedbert unter der Dusche

Lesezeit: 2 min

Morgens halb sieben im Bad. Einer der wenigen Gründe aufzustehen, ist der Deutschlandfunk. Für diesen Sender könnte das gesamte Internet verschrottet werden.

Kurt Kister

Der Morgen bereitet dem Menschen oft Schwierigkeiten. Wenn man schlecht schläft, sehnt man ihn herbei. Die Helligkeit gibt einem, wenn schon keinen Grund, so doch einen Vorwand, aufzustehen. Man schlurft ins Bad. Dort wartet das nächste Problem: Wie kann man Radio hören und gleichzeitig duschen?

Wer ein zivilisierter Mensch ist, hört den Deutschlandfunk. (Foto: Foto: dpa)

Wer ein zivilisierter Mensch ist, hört morgens den Deutschlandfunk. Der Deutschlandfunk, abgekürzt DLF, ist ein sonderbarer Sender, in dem fast den ganzen Tag geredet wird. Wenn die Dusche rauscht, kann man es leider nur schlecht verstehen, es sei denn, man stellt das Radio sehr laut.

Viele Dinge und Menschen, die man morgens im DLF hört, machen so betroffen, dass man das Einseifen fast einstellt. Da gibt es zum Beispiel einen zehnkindrigen Moderator, der noch dazu an der Universität von Navarra studiert hat. Ein anderer trägt den seltenen Vornamen Friedbert, der einen gleichermaßen an den irgendwie verschwundenen Politiker Friedbert Pflüger wie an den bedeutenden Münchner Kunsthistoriker Friedbert Ficker erinnert. Kein anderer Sender bietet und bot morgens so interessante Interviews mit dem Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, dem leider außerordentlich toten Jürgen Möllemann oder einem fast immer enorm krätzigen Sigmar Gabriel. Für den DLF möchte man jederzeit das gesamte Internet, vielleicht mit Ausnahme von isidore-of-seville.com, in der Steckdose lassen.

Vor einiger Zeit sprach morgens nach der Dusche, es kann auch ein Bad gewesen sein, eben jener seltene Friedbert mit der Justizministerin Brigitte Zypries. Es ging um Adoptionen von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare, die in einer standesamtlich verbrieften Lebenspartnerschaft zusammenleben. Das ist ein ziemlich typisches Deutschlandfunk-Thema für 7.15 Uhr. Gerne reden sie um diese Zeit beim DLF auch über Streubomben oder exotische Grippeformen. Jedenfalls sagte die Ministerin Zypries den schönen Satz: "Wir müssen ja sehen, dass die Menschen alles das, was irgendwie denkbar ist, auch tun." Politiker müssten sich darauf einstellen, gerade beim Verabschieden von Gesetzen.

Das ist grundsätzlich ein interessanter Gedanke. Denkbar wäre auch, dass demnächst oder später Menschen ihre Hunde heiraten möchten oder sich die Schädeldecken entfernen lassen wollen. (Das mit den Schädeldecken stammt von Erich Kästner aus dem Gedicht "Klassefrauen"). Müssten dann also die Politiker auch die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen? Oder sollten sie nicht ab und an den Leuten erklären, warum man gerade nicht alles tun darf, was irgendwie denkbar ist? Sie könnten das sicher im DLF tun, gegen 6.46 Uhr oder auch um 7.20 Uhr.

© SZ vom 1.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: