Bildband "Köln Gold":Gegen die Gleichgültigkeit

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Zentrales Kleinod: Detail aus der Stirnseite des Dreikönigenschreins im Kölner Dom. (Foto: Reinhard Matz & Axel Schenk/Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte)

Was es heißt, Kulturgeschichte nach dem "kölschen Prinzip" zu schreiben.

Von Alexander Menden

Die Tiefe der Kölner Geschichte wird oft überlagert von der vielfach lieblosen Nachkriegsarchitektur und Stadtplanung, von dem mit großem Ernst betriebenen Unernst des Karnevalsgeistes und dem allgegenwärtigen Willen zur Selbstfeier. Dabei wirkte diese Selbstfeier weniger weit hergeholt, wenn mehr Kölner ihre Heimatstadt so verstünden wie der Verleger Michael Wienand. Wienand sieht hinter der Stadt der Gegenwart die Stadt der Vergangenheit - und eine mögliche Zukunft, die tief in dem wurzelt, was Köln einst ausmachte. Der Gegenentwurf zur Gleichgültigkeit im Umgang mit dem Kölner Erbe, die zum Einsturz des Stadtarchivs 2009 beitrug.

"Köln Gold" ist ein Projekt, das Wienand dreieinhalb Jahrzehnte lang umtrieb. Jetzt hat er, gemeinsam mit Matthias Hamann, dem Direktor des Kölner Museumsdienstes, sowie 18 weiteren Autorinnen und Autoren, jene Wertschätzung des öffentlichen Raumes und der Stadtgeschichte, die im Alltag oft fehlen, in eine optische Feier des Erbes der Rheinmetropole gegossen. Auf über 600 Seiten entfaltet sich nicht nur eine Kölner, sondern eine paneuropäische Kulturgeschichte. Dabei werden nicht nur Höhepunkte aus städtischen und privaten Kunstsammlungen präsentiert, der Anspruch ist weit umfassender.

Die Bilder erzählen auch eine paneuropäische Kulturgeschichte

Der Überblick ist nicht chronologisch angelegt, entsprechend dem vom Herausgeber ausdrücklich zitierten "kölschen Prinzip", nach dem die Dinge in Köln "nicht nach-, sondern neben- und miteinander" geschehen. Er beginnt also nicht mit den Gründern der Stadt, den Römern, sondern mit dem zentralen Kleinod Kölns: dem Dreikönigenschrein, zwischen 1190 und 1225 wohl von Nikolaus von Verdun geschaffen. Dass die Gebeine Kaspars, Melchiors und Balthasars nach der Zerstörung Mailands durch Kaiser Friedrich Barbarossa als Kriegsbeute nach Köln kamen, tat ihrer Verehrung keinen Abbruch, und bewies zugleich, welche Bedeutung die Stadt im Mittelalter hatte. Das Dionysos-Mosaik aus dem Römisch-Germanischen Museum, 1941 beim Bau eines Bunkers ausgegraben, weist ihr eine ähnliche Bedeutung für die römische Kaiserzeit zu.

Als kulturellen Kern der Stadt macht der Band eine "Via Culturalis" aus, einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Abschnitt vom Dom bis zu St. Maria im Kapitol. Auf engem Raum ballen sich hier die archäologischen und architektonischen Sehenswürdigkeiten, die Museen und Archive, Kirchen und römischen Ruinen.

Matthias Hamann, Michael Wienand: Köln Gold - Stadtschätze. Wienand Verlag, Köln 2021. 630 Seiten, 45 Euro. (Foto: N/A)

Allein die unzähligen in Köln entstandenen Kunstwerke, die im Buch ausgebreitet werden, könnten einen prächtigen eigenen Band füllen: die Steinbüste der Parler aus dem Spätmittelalter etwa; oder Max Ernsts "Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen" von 1926 (das heute kaum noch jemanden aufregt, zu seiner Entstehungszeit aber ein Skandal war); oder die eine - in annähernder Faksimile-Qualität reproduzierte - Seite aus dem berühmten Hillinus-Codex von 1010.

Doch in so einem Band fehlte zu viel, was ja auch Köln ist: die Maus aus der nach ihr benannten Kindersendung, Raimund Kittls Willy-Millowitsch-Denkmal von 1992, die Urkunde des Literatur-Nobelpreises für Heinrich Böll, ein abgestoßener Metallkoffer der Kölner Firma Rimowa und eine Leuchtreklame für Kölsch abgebildet. Und, natürlich, ein Karnevalsorden.

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