Alipato
Mad Max im Supermarkt, eine wilde Kinder-Gang tobt sich blutig aus zwischen den Regalen. Khavn, der wildeste der philippinischen Filmemacher, hat die Geschichte dieser Gang als Punkballade gedreht, in der schwarzen Stadt Mondomanila, schwarz wie die Kohle: The Very Brief Life of an Ember ist der Untertitel. Ein archaischer Karneval, Khavz hat auch die Songs selber geschrieben, alles klatscht hier prall aufeinander, eine Karaoke-Bar geht über in ein Schlachthaus. Räumt Gott auf? Wir schreiben das Jahr 2025, und im zweiten Teil - der Boss muss für 28 Jahre in den Knast - das Jahr 1953. Sehr schön: die farbigen, liebevoll gestalteten Grabtafeln, auf denen der Toten der Gang gedacht wird: Das Leben ist erloschenes Feuer ...
Aloys
O diese abgrundtiefe Einsamkeit, von der Privatdetektiv Aloys (Georg Friedrich) nach dem Tod seines Vaters so ratzeputz verschluckt wird. Sie spiegelt sich in der anonymen Stadtrand-Betonklotz-Architektur Zürichs und im gespenstischen Fantasma einer erträumten Romanze. Jungregisseur Tobias Nölle formt die schroffe Weltabgewandtheit seines Helden zu einer Galerie suggestiver Stimmungsbilder ohne erzählerische Substanz.
Arrival
Wieder einmal sind Aliens auf der Erde gelandet, aber diesmal wollen sie reden. Darauf ist die Menschheit noch weniger vorbereitet als auf alles andere - die Linguistin Dr. Louise Banks (Amy Adams) muss improvisieren, als sie den krankenartigen Siebenfüßlern gegenübertritt. Der kanadische Kinomagier Denis Villeneuve setzt dem üblichen Zynismus des Alien-Genres ein wundervolles philosophisches Staunen entgegen, und beim Studium einer gänzlich fremden Zeichensprache lernt seine Heldin sogar, die menschlichen Konzepte von Zeit und Schicksal zu hinterfragen.
Bad Santa 2
Im Jahr 2003 ließ Billy Bob Thornton als misanthropischer Shopping-Mall-Santa die Sau raus. In diesem späten Sequel wird dieselbe Story noch einmal variiert - nur mit noch mehr Sex, Drugs & Crime.
Deepwater Horizon
Das Hölleninferno auf der Ölplattform Deepwater Horizon, die 2010 in Brand geriet und eine der schlimmsten Umweltkatastrophen überhaupt verursachte, erzählt Peter Berg als Actionfilm nach allen Regeln der Hollywood-Trickkunst. Mark Wahlberg kämpft sich als geschundener Öl-Arbeiter durchs Feuer und kommt als amerikanischer Held wieder heraus. Ursache und Folgen der Katastrophe gehen in diesem Funkensturm allerdings unter.
Einer von uns
Gefährliche Romantik auf dem Parkplatz im Industriegebiet: Die herumlungernden Teenager wären gern Rebellen, die gelangweilten Cops gern Revolverhelden, der Leiter vom angrenzenden Großsupermarkt hält sich für Gott im Lebensmittelparadies. Stephan Richter zeigt die Tristesse in der österreichischen Provinz ruhig und wirklichkeitsnah, stellt psychedelische Bilder vom Überfluss dazu und wartet, bis der Kontrast sich in Aggression entlädt.
Florence Foster Jenkins
Die alte Dame ist schrill und lebenslustig. Hinreißend komisch, wie sie sich als Walküre verkleidet in ihrem Verdi-Club in einem Tableau vivant vor den Omis und Opis der New Yorker High Society produziert. Meryl Streep ist diese alte Dame, und als sie erst nach einem Drittel von Stephen Frears überwältigender Menschen- und Kunststudie "Florence Foster Jenkins" erstmals singt, überraschen ihre schrillschönschrägen Töne niemanden mehr.
Ich, Daniel Blake
Eine wütende Anklage des britischen Sozialstaates, durch Altmeister Ken Loach, der - obwohl schon 80 - keineswegs versöhnlicher geworden ist. Hier folgt er dem früheren Zimmermann Daniel Blake in die Mühlen der britischen Bürokratie: Ignoranz und Willkür verhindern, dass Daniel nach seinem Herzinfarkt Sozialhilfe bekommt. Eine straight story: geradlinig, schnörkellos, idealistisch ohne Kompromisse. Dafür gab es in diesem Jahr die Goldene Palme in Cannes.
Kater
In diesem Kammerspiel um das Sexualleben zweier Männer aus dem Hochkulturmilieu Wiens hat jedes Detail eine Bedeutung. Viel nackte Haut, ein zugelaufener Kater namens Moses, Mahlers Sechste, das Einkochen von Zwetschgen - solche Motive benutzt Klaus Händl, um novellenartig von den Folgen einer Gewalttat zu erzählen. Leider kommt der Film seinen Figuren nicht nahe und verweist mit seiner Manieriertheit mehr auf sich selbst als auf allzu Menschliches.
Sparrows
Der sechzehnjährige Ari (Atli Oskar Fjalarsson, einer der European Shooting Stars des Jahres) muss aus Reykjavik in ein einsames Fischerdorf an Islands Westfjorden ziehen. Dort wartet sein Vater, mit dem ihm wenig verbindet, kühle helle Sommernächte und viel Hoffnungslosigkeit und Verfall. Aber dieser schöne kleine Film von Rúnar Rúnarsson wäre keine echte Coming-of-Age-Geschichte, wenn es nicht auch hier ein Mädchen gäbe, für das es sich lohnt, mutig zu sein.
Ediths Glocken
Weihnachten in Berlin-Neukölln. Drei überdrehte Freundinnen "in drag" pupsen den Tetrapack-Weißwein per Soda-Club auf. Der Travestie-Kabarettist Ades Zabel hat aus seiner Theaterklamotte eine obertuntige "Weihnachtssoap" gemacht. Die Girls schnattern durcheinander und der Klempner verlegt ein Rohr. So viel Neuköllner Schnee, wie man bräuchte, um das zu ertragen, passt unter keinen Baum.