Kino:Männergespräch

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Ihre satirische Männlichkeitsstudie "The Art Of Self-Defense" hat das Filmfest eröffnet: Regisseur Riley Stearns (li.) und Jesse Eisenberg. (Foto: Kurt Krieger/Filmfest München)

Einer der Stargäste des Filmfests ist der US-Schauspieler Jesse Eisenberg. Der 35-Jährige spricht über Maskulinität, Woody Allen und die Konsequenzen der "Me Too"-Bewegung

Interview von Josef Grübl

Beim Gespräch im Bayerischen Hof zerlegt er sorgfältig einen Bierdeckel, auf der Leinwand vermöbelt er unliebsame Zeitgenossen: Jesse Eisenberg spielt in "The Art Of Self-Defense" einen schüchternen Mann, der sich zum Karatekämpfer ausbilden lässt. Die satirische Männlichkeitsstudie läuft noch einmal auf dem Filmfest (Freitag, 5. Juli, 22.30 Uhr, Kinos Münchner Freiheit), im Herbst soll sie auch regulär in die Kinos kommen. Ebenfalls für Herbst ist das Kriegsdrama "Resistance" angekündigt, das der 35-jährige New Yorker 2018 in Bayern gedreht hat. Es gibt also viel zu bereden - nur über sein aktuelles Verhältnis zu Woody Allen, mit dem er zwei Filme ("Café Society" und "To Rome With Love") drehte und der im Zuge der "Me Too"-Debatte von vielen US-Stars gemieden wird, möchte er nicht sprechen: "Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich diese Frage gern auslassen."

SZ: Willkommen zurück, Sie drehten vergangenes Jahr in München. Wie lange waren Sie hier?

Jesse Eisenberg: Ungefähr einen Monat, wir waren für "Resistance" aber auch in Nürnberg, Kronach und der Tschechischen Republik. Für mich als jüdischen Amerikaner war es ein bedeutendes Erlebnis, hier einen Film über den Zweiten Weltkrieg zu machen.

Sind Sie viel in der Stadt herumgekommen?

Ich hatte leider nicht so viel Zeit, meine Frau war aber jeden Tag mit dem Baby unterwegs. Eine Freundin von uns leitet das Münchner NS-Dokumentationszentrum (Mirjam Zadoff, A. d. Red.), sie war unsere Nachbarin in Indiana, was natürlich ein seltsamer Zufall ist. Sie hat uns viel über die Münchner Stadtgeschichte erzählt: sehr interessant!

In "Resistance" spielen Sie den französischen Pantomimen Marcel Marceau. Wie kamen die Filmemacher auf Sie?

Der Regisseur Jonathan Jakubowicz dachte schon beim Drehbuchschreiben an mich, weil ich Marcel Marceau ähnlich sehe und unsere Familien aus derselben Region Polens kommen. Mir fiel auch wieder ein, dass meine Mutter einmal als Geburtstagsclown gearbeitet und sich als Marcel Marceau verkleidet hatte. Schauspielerisch fand ich es ebenfalls interessant, da ich gern komische und dramatische Rollen spiele - was gut zum Film passt, ich verkörpere ja einen Komiker in einem Kriegsdrama.

Komisch und dramatisch ist der Eröffnungsfilm des Filmfests München: "The Art Of Self-Defense" karikiert Alphatiere und übertriebene Männlichkeit. Darüber wurde zuletzt ja viel diskutiert.

Wir hatten gerade erst begonnen zu drehen, als die Geschichten über Harvey Weinstein herauskamen und die "Me Too"-Bewegung auslösten. Das hat unsere Perspektive noch einmal verändert.

Sie haben noch während der Dreharbeiten im Herbst 2017 Ihre Perspektive verändert?

Ja, es war eine seltsame Situation: Wir gingen jeden Tag zur Arbeit und erzählten eine Geschichte über Misogynie und Männer, die dumme Dinge tun, um stark und männlich zu wirken. Gleichzeitig lasen wir Geschichten von Frauen, die endlich den Mut gefunden hatten, um über ihre Missbrauchserfahrungen zu sprechen. Auch wenn das Drehbuch schon vor vier Jahren geschrieben wurde, erscheint es mir wie ein aktueller Kommentar auf die derzeit geführten Debatten über Maskulinität.

Hat sich die Filmindustrie seitdem sehr verändert?

Gleich nach "The Art Of Self-Defense" habe ich einen Film in Kanada gedreht, bei dem etwas Interessantes passierte: Ein Schauspieler sagte etwas Unangemessenes zu einem weiblichen Teammitglied - und wurde sofort gefeuert. Da war mir klar, dass sich etwas verändert hat und wir plötzlich große Fortschritte machen. Jetzt hoffe ich nur, dass es anhält.

War denn "Me Too" nur ein Strohfeuer, oder kann es Ihrer Meinung nach langfristig etwas verändern?

Ich glaube schon, es hat sich ja auch schon etwas getan. Wenn ich mich mit Kolleginnen unterhalte, sagen sie mir, dass sie nun Drehbücher bekommen, in denen Frauen nicht mehr nur in sexuell bewertender Form beschrieben werden. Noch vor fünf Jahren erschien es völlig normal, Frauen in Drehbüchern als "richtig heiß" einzuführen. Ich glaube aber, dass sich auch die Zuschauer verändert haben, dass sie solche Rollenbeschreibungen für antiquiert halten. Auch der Filmgeschmack hat sich also verändert.

Das kann man ja mitunter bereits an den großen Erfolgen von Filmen mit Actionheldinnen sehen.

Absolut, daran kann man es auch ablesen. Nicht nur die Kultur hat sich verändert, sondern auch das wirtschaftliche Umfeld. Es ist ja nicht so, als ob nur Filmemacher plötzlich eine Erleuchtung gehabt hätten - auch das Publikum will Filme, die sich mehr Gedanken über Geschlechterpolitik machen.

Sind Sie eigentlich schon Woody Allen in München begegnet? Er spielte einen Tag vor der Filmfesteröffnung mit seiner Band hier.

Wirklich? Ich bin schockiert, davon höre ich gerade zum ersten Mal. Aber ich habe ihn in New York schon öfter live mit seiner Band erlebt.

Sie haben eine besondere Beziehung zu ihm, nicht nur weil Sie in seinen Filmen mitspielten. Ihr erster Kontakt fand schon viel früher statt, oder?

Ja. Als 16-Jähriger habe ich mein erstes Stück über ihn geschrieben. Darin ging es um den 16-jährigen Woody Allen, es spielte aber in der Gegenwart. Damals ging ich noch zur Schule, jemand las es dort, mochte es anscheinend und schickte es an seinen Agenten. Dieser wiederum leitete es an Woody Allens Anwalt weiter, der sich kurz darauf bei uns meldete.

Ganz schön aufregend. Was passierte dann?

Ich erinnere mich noch genau, als mein Vater in mein Zimmer kam und sagte, dass er eine gute und eine schlechte Nachricht für mich hätte. Ich fragte ihn: "Was ist die gute Nachricht?" Daraufhin er: "Wir haben einen Brief von Woody Allen bekommen." "Und was ist die schlechte Nachricht?" "Er droht uns zu verklagen, weil du ein Stück über ihn geschrieben hast." Wir haben das Stück also fallen gelassen, es wurde nie veröffentlich oder aufgeführt.

Haben Sie Woody Allen später darauf angesprochen?

Nein. Es gab aber eine Pressekonferenz beim Filmfestival in Cannes, bei der wir beide auf der Bühne saßen und sich ein Journalist danach erkundigte. Ich weiß nicht genau, woher er davon wusste. Da sagte Woody Allen, dass er noch nie etwas von diesem Stück gehört habe. Was ich auch verstehen kann - vermutlich schicken ihm ständig Leute etwas zu.

Zum Glück haben Sie sich nach der Erfahrung mit dem Anwalt aber nicht entmutigen lassen und schreiben regelmäßig Theaterstücke.

Genau. Obwohl ich regelmäßig beschäftigt bin, veränderte sich mit der Aufführung meines ersten Theaterstücks im Jahr 2011 etwas. Ich verspüre keinen so großen Druck mehr auf mich als Schauspieler. In dieser Branche ist man ja immer etwas auf die Gnade einer sich ständig verändernden Industrie angewiesen. Seitdem ich auch schreibe, bin ich viel entspannter.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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