Meereskunde:Wale vor La Gomera

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Geschichte und Zukunft der riesigen Meeressäuger, die einst fast ausgerottet, immer noch gefährdet sind

Von Roswitha Budeus-Budde

Im Süden von La Gomera, tief im Atlantik, ist ein Blauwaljunges geboren worden. Nach einem Jahr Tragezeit der Mutter schwimmt es, dicht an sie geschmiegt, zum ersten Mal im Meer. In tiefblauem Wasser, in das die Illustratorin Line Renslebråden den Betrachter mit eintauchen lässt. Ihre Bildern geben dem Sachbuch "Der Blauwal" von Andreas Tjernshaugen eine besondere Authentizität. Der norwegische Autor hatte sich schon 2019 in seinem Naturkundebuch "Von Walen und Menschen" (Residenz Verlag) mit dem größten Tier der Erde beschäftigte.

Nun erzählt er in einer informativen, lebendigen Sprache jugendlichen Lesern etwas über diese großen Säuger im Meer. Im Kapitel "Wie Wale zu Meerestieren wurden" versucht er eine Antwort darauf zu geben, warum Wale so riesig wurden, größer als Saurier. Er beschreibt ihre Bedeutung für die Evolution, und die Arbeit der Archäologen bei der Suche nach Fossilien.

Aber im Mittelpunkt stehen die ersten Monate des kleinen Wals. Die Informationen darüber bekam Andreas Tjernshaugen von Walforschern, die, um die Zukunft der Tiere zu sichern, die Wanderbewegungen dieser so imposanten Giganten in den Weltmeeren beobachten. Als Expeditionsteilnehmer einer Forschungsgruppe bei den Azoren erlebte er auch, wie wenig wir über das Leben der Blauwale wissen. Mit ihrer ungewöhnlichen Fähigkeit lange und tief zu tauchen, - sie können eine Stunde unter Wasser bleiben, ohne zum Atmen wieder an die Meeresoberfläche zu kommen - ist es für Menschen schwierig, ihnen in die "Tiefen des Meeres" zu folgen.

Der kleine Wal wächst jeden Tag vier Zentimeter, dazu trinkt er täglich 200 Liter Muttermilch. Für die die Walmutter große Mengen Krill aus dem Meer fischen muss, und dazu das Wasser, das sie mit aufnimmt, durch die Barten am Maul wieder ausstößt. Doch diese Futtermengen sind nötig, denn wenn das Junge im Sommer ein halbes Jahr alt ist, muss es sich unabhängig von der Mutter im Wasser bewegen können und selbständig die lange Reise zu den Nahrungsgebieten im Nordmeer schwimmen. Aber jetzt wird es noch gut bewacht, denn es ist sehr neugierig - wie alle jungen Säugetiere - auch auf die Verwandten im Wasser, den Finnwal und den Buckelwal, die im Buch vorgestellt werden.

Es scheint ein Wunder zu sein, dass Wale noch im Meer leben

Um die jungen Leser für diese bedrohte Tierart zu interessieren, lässt der Autor den kleinen Wal beispielhaft alles das erleben, was durch die Walforschung belegt ist. Wie nahe er dabei dem Verhalten junger Wale wirklich kommt, konnte man erleben, als sich bei einer Walbeobachtungsfahrt vor La Gomera in der Ferne eine Muttergruppe mit dem typischen "Blasen" ankündigte. Plötzlich tauchte ein Jungtier auf, das sich dem Boot näherte. Neugierig beobachtete es die seltsame hölzerne Nussschale mit Menschen, unter der es einmal durchtauchte und dann zurückschwamm.

Dass solche Begegnungen etwas Besonderes sind, weil sich die Blauwalbestände immer noch nicht vom Walfang erholt haben, wird in dem Kapitel "Als der Blauwal fast ausgerottet wurde" sehr drastisch beschrieben und illustriert. Als der Walfang, der vor 200 Jahren begann, von Norwegen aus mit Fabrikschiffen betrieben wurde, überlebten von den 250 000 Tieren nur noch wenige. Man schätzt, dass es vielleicht noch 10 000 oder auch 25 000 Tiere gibt. Inzwischen ist es verboten, sie zu jagen und trotzdem bleibt ihre Zukunft durch den Schiffsverkehr, den Plastikmüll und die Fischernetze in den Meeren, gefährdet. In einem Glossar wird das Wissen zusammengefasst, um ihr Überleben sicherer zu machen. Das auch davon abhängt, ob es gelingt, die Verschmutzung der Meere und die Erderwärmung zu stoppen. (ab 10 Jahre)

Andreas Tjernshaugen: Der Blauwal. Die unglaubliche Geschichte des größten Tieres, das je gelebt hat. Mit Illustrationen von Line Renslebråten. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. dtv (Reihe Hanser) 2022. 87 Seiten, 19 Euro.

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