Kabarett:A bsoffene Gschicht

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Derblecken ohne Starkbier: Django Asül, einst Fastenprediger auf dem Nockherberg, schenkt auch in seinem Jahresrückblick kräftig ein. (Foto: Dirk Beichert)

Django Asül rechnet in seinem "Rückspiegel" mit 2019 ab und redet sein Publikum mit der Ibiza-Affäre trunken. Und auch andere Kabarettisten präsentieren aktuell ihre Jahresrückblicke

Von Oliver Hochkeppel

Da war doch mal was? 2007 durfte Uğur Bağışlayıcı alias Django Asül den Fastenprediger am Nockherberg geben - und wurde nach seiner Premiere gleich wieder gefeuert. Offiziell, weil die veranstaltende Brauerei zurück zum alten Format wollte - hatte Asül doch als erster keine Mönchskutte übergeworfen. Insgeheim kursierte jedoch auch als Grund, dass Asül im Jahr der Revolution gegen Edmund Stoiber insbesondere die CSU-Politiker zu hart angefasst habe. Beides kann man sich heute kaum mehr vorstellen, wenn man Django Asül im Lustspielhaus bei seinem obligatorischen Jahresrückblick unter dem Titel "Rückspiegel" sieht.

Abgesehen davon, dass auf dem Nockherberg nach Jahren der "Mama Bavaria"-Regentschaft von Luise Kinseher und dem aktuellen Allgäuer Lausbub Maxi Schafroth niemand mehr an die alte Bußprediger-Figur denkt, wirkt die Politiker-Schelte à la Asül heute, in AfD-Zeiten des verschärften Tons, eher zahm. Asül war ja immer eine Art konservativer Kabarettist, sollte es denn so etwas überhaupt geben: Seinerzeit vom Bankkaufmann zum Kabarettisten mutiert, ist der Niederbayer mit türkischem Hintergrund, Tennislehrer, FC-Bayern-Fan und Erwin-Huber-Intimus (der ihn auch einst zum "Botschafter von Niederbayern" machte) alles andere als ein Systemkritiker. Eigentlich wäre er nach wie vor für den Nockherberg prädestiniert, gibt er den Politikern doch gern amüsant eins auf die Nase, ohne an deren Fundament zu kratzen. Es sind die Überforderungen, die kleinen Schwächen, die ihm als Angriffsflächen dienen. Und am Ende steht doch eine Art Absolution. So auch im Jahresrückblick.

Asüls "Rückspiegel" ist weder chronologisch noch systematisch, sondern anekdotisch. Natürlich kommen auch die aufsehenerregendsten Figuren und Ereignisse des abgelaufenen Jahres vor, von Trumps "Faible für die Ukraine" ("zwei befreundete Schurkenstaaten mit einem Komiker als Präsidenten") samt Amtsenthebungsverfahren über Greta Thunbergs Ozeanüberquerung oder Ursula von der Leyens "euphorischem EU-Stillstand" bis zu Kramp-Karrenbauers Fettnäpfchen-Suche und -Fabrikation. Meist begnügt sich Asül aber auch da mit "One Linern", ohne wirklich ins Thema einzusteigen. So rangieren die großen Themen wie Klimakrise, Groko oder die tagesaktuell gestreifte Pisa-Studie gleichrangig (mitunter sogar untergeordnet) mit Trouvaillen wie dem Achtjährigen, der mit dem Auto seiner Eltern nächtliche Spritztouren unternahm, oder der Klopapier-Bestellung einer Gemeinde bei Landsberg. Vieles dreht sich ums Geld und um den Sport, eben Asüls Spezialdisziplinen. Auch die alten Volksparteien SPD und CDU/CSU nehmen überproportional viel Platz ein. Auffällig ist, dass die AfD praktisch nicht vorkommt. Ob Absicht oder nicht, vielleicht ist das der nicht nur satirisch sinn- und wirkungsvollste Umgang mit ihr.

Insgesamt geht es so hurtig vom Hölzchen aufs Stöckchen, dass man mitunter nicht mehr mitspringen kann oder will. Es nimmt denn auch kaum Wunder, dass Asüls Fazit etwas dürftig ausfällt: 2019 sei wie die Strache-Ibiza-Affäre, eine "bsoffene Gschicht'". Parallel dazu lässt sich festhalten, dass Asüls Jahresrückblick eine nette Geschichte ist, aber nicht viel mehr. Das breite Publikum erreicht er damit bestens, für die Termine im Lustspielhaus gibt es kaum mehr Karten. Da bietet es sich an, auch andere Jahresrückblicker zu Rate zu ziehen: Multimedialer wie emotionaler geht es bei Jess Jochimsen zu, wohl bissiger bei Arnulf Ratings "Jahrespresseschau" oder bei Holger Paetz.

Django Asül , Fr. & Sa., 6. & 7. Dez., Do., 26. Dez., 20 Uhr, Mi., Do., Di., 25., 26., 31. Dez., 14 Uhr, Lustspielhaus , Mo., 30. Dez., 20 Uhr, Dt. Theater; Jess Jochimsen , Di., 17. Dez., 20 Uhr, Lach und Schieß; Holger Paetz , Sa. bis Di., 28. bis 31. Dez., 19 Uhr, Turmstüberl im Valentin-Musäum

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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