Jugendliteratur:Die Liebe und die Kirschen

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Alina Bronsky: Schallplattensommer. dtv, München 2022. 190 Seiten, 15 Euro. Ab 13 Jahren. (Foto: Verlag)

Alina Bronskys "Schallplattensommer" eine Geschichte über unerwartete Freundschaften, in der alle Geheimnisse unerklärt bleiben .

Von Antje Weber

Es gibt die Pommes-Tage, und es gibt die Teigtaschen-Tage. Anstrengend sind sie alle für Maserati, die fast rund um die Uhr in der Gastwirtschaft der Oma schuftet, statt in die Schule zu gehen. Die knapp 17-Jährige bedient, spült und behält die resolute, leider auch demente Großmutter im Auge. Die Gäste wiederum werfen gern mal ein Auge auf Maserati selbst: Sie ist der Typ spröde Schönheit, nach dem sich alle umdrehen. Außerdem ist sie auf diesem vermutlich brandenburgischen Dorf "das einzige weibliche Wesen unter fünfundfünfzig im Umkreis von dreizehn Kilometern". Das ist die Ausgangslage in Alina Bronskys Jugendroman "Schallplattensommer", und sie wird sich am Ende nicht grundsätzlich geändert haben. Und doch wird sich viel verschieben in diesem Buch und diesem Sommer, unmerklich zunächst, dramatisch zugespitzt zwischendurch, in den Auswirkungen auf die Zukunft unabsehbar. Menschen werden kommen und gehen, Gefühle entfacht wie zerstört, Geheimnisse gelüftet. Denn davon gibt es eine Menge in diesem Roman; Alina Bronsky gibt sie, wohlkalkuliert und -dosiert, nach und nach preis. Und setzt damit in diesem sommerlich flirrenden, so kirschensatt wie liebeshungrig daherkommenden Coming-of-Age-Roman bei gleich mehreren Jugendlichen tiefgreifende Entwicklungen in Gang.

Ausgelöst werden sie durch äußere Einflüsse: Eine reiche Familie zieht ins Dorf, baut unüberseh- und unüberhörbar eine alte Villa um - die Gegensätze zwischen Dorf und Stadt, zwischen Reich und Arm zelebriert Bronsky, die ihr feines Gespür für die Ausprägungen sozialer Unterschiede bereits in etlichen Bestsellern seit "Scherbenpark" in einer klaren, direkten Sprache genüsslich zum Ausdruck gebracht hat. Den Sohn Theo der Familie, tragisch umwölkt, lernt Maserati ebenso näher kennen wie dessen Cousin und Gegenpart Caspar, als witzelnder Sunnyboy gern am Seeufer fläzend. Die Ausbalancierung zunächst schwer zu fassender Gefühle zwischen den dreien wird nicht gerade leichter dadurch, dass Theo eine alte Schallplatte vorzeigt, deren Cover ausgerechnet Maseratis Gesicht zu schmücken scheint.

"Manches muss man einfach so lassen, wie es ist. Ungeklärt, mit Lücken"

Es ist nicht ihres, sondern das Gesicht ihrer Mutter. Schicht für Schicht legt Alina Bronsky anhand dieser Platte eine dunkle Familiengeschichte frei. Die hat mit Schönheit und Horror, Prominenz und Medienmacht zu tun und wird, wie manches in diesem Roman, auf etwas unglaubwürdige Weise verknüpft mit der Familiengeschichte Caspars. Macht nichts, man bleibt dran und folgt der sympathisch widerständigen, trotz aller Überforderung stark wirkenden Figur der Maserati gerne auf ihrem Weg durchs Gestrüpp der Gefühle und Geschehnisse

Am Ende sind die meisten Geheimnisse gelüftet, doch nicht alle. "Manches muss man einfach so lassen, wie es ist. Ungeklärt, mit Lücken", hat Maserati schließlich erkannt. "Was ist das für eine nervige Angewohnheit, alle Geheimnisse aufdecken zu müssen?" Weshalb auch dieser Text nichts weiter preisgibt als die Empfehlung, dieses Buch über das Leben und die Liebe wegzuschmökern, im Sommer, vielleicht am See, mit Kirschen im Bauch oder Schmetterlingen. (ab 13 Jahre)

Alina Bronsky: Schallplattensommer. dtv, München 2022. 190 Seiten, 15 Euro.

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