Im Kino: Me and Orson Welles:Man arbeitet nicht für Geld

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Der arrogante junge Mann treibt alle in den Wahnsinn, doch wenig später wird er zum Mythos: Mit Zac Efron und Claire Danes soll Orson Welles dem jungen Publikum vermittelt werden. Eine moderne Heldensage mit wahrem Kern.

Susan Vahabzadeh

Ich schleppe meinen eigenen Mythos mit mir herum, hat Orson Welles gesagt, viele Jahre später. In Richard Linklaters "Me & Orson Welles" arbeitet er noch daran, überhaupt erst einen zu schaffen:

Zac Efron und Claire Danes in "Me and Orson Welles". (Foto: Farbfilm-Verleih)

Das Mercury Theatre wird eröffnet, tatsächlich eine Truppe wie Quecksilber, mit einer Inszenierung von Shakespeares "Julius Cäsar" - selbstverständlich mit Welles als Regisseur und, genüsslich, in der Rolle des Brutus. Ein junges Genie probiert sich aus, tut etwas, was damals, im November 1937, bahnbrechend und neu war, aufregend und kontrovers - die Handlung wird ins faschistische Italien verlegt.

Der junge Welles (Christian McKay) treibt bei Linklater alle in den Wahnsinn, und sie lieben ihn doch. Ein Student, Richard (Zac Efron), stolpert vors Theater, und auch er ist gleich vernarrt in diesen Mann, der ihn aus Spaß in seine Truppe aufnimmt. Danach wird Welles "Citizen Kane" drehen, einen Film, der auch noch siebzig Jahre später viele Bestenlisten anführt, er wird mit seinem "Krieg der Welten"-Hörspiel das Radio-Publikum in Angst und Schrecken versetzen - ungefähr von da an schleppte er dann diesen Mythos mit sich herum.

Der Schriftsteller Robert Kaplow hat sich eine Welles-Erinnerung ausgedacht, die es so nicht gibt, hat einen Roman um die Tage herum gesponnen, in denen das Mercury eröffnet wird, darauf basiert Linklaters Film - eine moderne Heldensage mit wahrem Kern.

John Houseman, (Eddie Marsan), Welles' Produzent, ist am Rande eines Nervenzusammenbruchs: Welles ist brillant, spontan und schwierig. Doch alle, die hier arbeiten - der junge Joseph Cotten (James Tupper) zum Beispiel, George Colouris (Ben Chaplin), das Büromädchen Sonja (Claire Danes) - wollen unbedingt dabei sein.

Richard verknallt sich in Sonja, aber auch sie ist auf dem Weg nach oben - und sie wird sich von ihm nicht aufhalten lassen. David O. Selznick, der große Produzent von "King Kong" und "Vom Winde verweht", das Phantom von der anderen Seite, dem kommerzialisierten Hollywood, geistert durch den Film. Richard taumelt wie berauscht durch diese Wunderwelt - und entwickelt, wie ein schwacher Abglanz von Welles, Starallüren, die ihm nicht zustehen. In Welles' Universum kann nur einer herrschen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie einer wie Welles möglich war.

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Wenn Richard das Theater verlässt - er hat ein Mädchen kennengelernt in einem Plattenladen, wandert durch New York gegen Ende der Depressionszeit - dann bekommt man einen kleinen Eindruck von der Welt draußen, am Anfang des New Deal. Doch drinnen im Theater weht der liberale Geist einer neuen Ära.

Dennoch: Das Mercury war kein isoliertes Kunstlabor. Welles' frühe Arbeiten hatten eine politische Dimension. Noch vor der Gründung des Theaters hatte er einen "Macbeth" unter Schwarzen inszeniert, der in Haiti spielte, mit Hilfe des "Federal Theater Projects", neu ins Leben gerufen, um liberales Theater zu fördern - Franklin D. Roosevelt wollte in den von der Großen Depression ausgelaugten USA nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen kulturellen Wandel einleiten.

Auch das ist im Hintergrund Linklaters Thema: Wie sich das gesellschaftliche Klima und die Kunst zueinander verhalten, dass es einen wie Orson Welles nur geben konnte, weil seine Zeit ihn zuließ, weil die Aufbruchstimmung ihn nach oben spülte.

Linklater hat immer wieder visuelle Experimente gemacht, Zeichenfilme wie "A Scanner Darkly" etwa. "Me & Orson Welles" aber ist ein klassisches Stück wie aus Hollywood, in den sanften Farbtönen, in denen man immer wieder die 30er Jahre nachzeichnet.

Es macht so viel Freude, ihm dabei zuzusehen, weil er es nicht als Polit-Stück erzählt - sondern als klassisches Filmdrama, mit Verwicklungen, Verrat und einem angeknacksten Herzen, das sich dann aber sehr schnell wieder erholt. Dazu gibt es schöne, von Originalfotografien nachgestellte Szenen aus dem Fascho-"Cäsar".

Die Besetzung eines solchen Films ist schwierig, und Linklater hat mit viel Gefühl die vertrauten Gesichter in jedem seiner Akteure durchschimmern lassen. Das ganze Unternehmen wäre zum Scheitern verurteilt gewesen ohne den perfekten Welles - den allerdings gab es schon:

Der britische Schauspieler Christian McKay hat Welles auf der Bühne schon öfter gespielt, Linklater hatte ihn gesehen - und er hätte "Me & Orson Welles" ohne McKay nicht gedreht. Er engagierte Zac Efron und Claire Danes, zwei Schauspieler, die den Anknüpfungspunkt bieten für den modernen Teeniegeschmack, für jenen jungen Teil des Publikums, der mit dem Namen Orson Welles nicht mehr viel verbindet. Linklaters Produzenten waren hocherfreut über die Starbesetzung - nur diesen Limey als Orson Welles, den keiner kennt, den wären sie gern wieder losgeworden.

Efron wiederum war McKay kein Begriff - der fragte Linklater erst mal, wer das sei, und Linklater antwortete: Das wirst du schon noch herausfinden. So war es - McKay sah Zac Efrons Abbild plötzlich überall: "Er gab ein Interview im Frühstücksfernsehen. Dann fuhr ich mit meiner Frau nach London, und ein Bus mit seinem Gesicht drauf fuhr vorbei. Wir kauften eine Zeitung, und es gab dort Sticker und Schokoriegel mit seinem Foto drauf, im Lebensmittelladen gab es einen Kuchen - den habe ich gekauft. Kalender, Poster, CDs, Bücher... als ich mich abends mit meinem neuen Zac-Efron-Bettbezug hinlegte, wusste ich, wer er ist."

Wird Orson Welles kleiner, weil er es nie auf einen Bettbezug geschafft hat? Ruhm ist eben eine Frage der Wahrnehmung, und selbst wenn die da ist, bleibt er flüchtig. "Me & Orson Welles" soll Welles' Ruhm in eine neue Generation hineintragen.

Sich eine Fiktion auszudenken, um von ihm zu erzählen, ist eigentlich ein sehr passender Ansatz. Denn vieles von dem, was Welles ausmachte, überlebt nicht in Dokumenten - das liegt zum einen daran, dass die letzten Arbeiten, vor allem das mutmaßliche Chef-d'Œuvre, der Film "The Other Side of the Wind", nicht fertig geworden sind; von den Bühnen-Inszenierungen ist nur wenig konserviert; und wie innovativ er als Filmemacher war, wie bahnbrechend, sieht man ja "Citizen Kane" nur an, wenn man weiß, was Anfang der Vierziger üblich war.

Am besten ist es also, einen Zusammenhang zu schaffen, um ihn zu zeigen; das Charisma, den diabolischen Charme, die Arroganz und den Witz herüberzubringen, die man Welles zuschreibt - das ist McKays Aufgabe, und er löst sie grandios.

Das Mercury währte nur kurz, nach ein paar Jahren war der Spuk vorüber; in "Me & Orson Welles" lebt es weiter. Es ist so vulgär, um der Nachwelt willen zu arbeiten, wie um des Geldes willen, hat Welles gesagt. Man darf ihm glauben, dass er weder für Kommerz viel Sinn hatte noch dafür, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Dass jemand anders es tut, muss erlaubt sein.

ME AND ORSON WELLES, US/GB 2008 - Regie: Richard Linklater. Buch: Holly Gent Palmo, Vince Palmo, nach Robert Kaplows Roman. Kamera: Dick Pope. Mit: Zac Efron, Christian McKay, Claire Danes, James Tupper. Farbfilm Verleih/Barnsteiner Film, 113 Minuten.

© SZ vom 25.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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