Im Interview: Philip Seymour Hoffman:Ein seltsamer Kauz

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Oscarpreisträger Philip Seymour Hoffman bringt sein Regiedebut "Jack in Love" von der Theaterbühne auf die Leinwand. Ein Gespräch über Angst, Freundschaft und emotionale Nackheit.

Susan Vahabzadeh

Philip Seymour Hoffman ist auf den ersten Blick nicht ganz das, was man sich unter einem Hollywoodstar vorstellt, ein bisschen zu mollig, und meistens eher lässig bis nachlässig angezogen. Bei Hoffman, 1967 im Staat New York geboren und Absolvent der Tisch School, scheint das keinen zu stören - er gehört zur ersten Garde, in großen dramatischen Rollen wie Paul Thomas Andersons "Magnolia", 1999, und in Komödien gleichermaßen - da war er der eklige Mime in der Klamotte "... und dann kam Polly" (2004), mit dem er Ben Stiller locker an die Wand spielte. Dreimal wurde er für den Oscar nominiert, für die Titelrolle in "Capote" hat er ihn 2007 gewonnen. Seit siebzehn Jahren spielt und inszeniert Hoffman außerdem bei der New Yorker LAByrinth Theater Company, deren künstlerischer Direktor er ist. Auch das Stück "Jack Goes Boating/Jack in Love" hat er dort aufgeführt, nun hat er es für seine erste Filmregie gewählt.

Dreimal wurde Philip Seymour Hofman für den Oscar nominiert, für die Titelrolle in "Capote" hat er ihn 2007 gewonnen. (Foto: dpa)

SZ: "Jack in Love" ist ein Film über Angst - Sie selbst scheinen aber eher furchtlos zu sein. Erfordert es nicht ziemlich viel Mut, sich beim Regiedebüt selbst zu inszenieren?

Philip Seymour Hoffman: Es ist ein Film über Angst, das ist richtig, aber ich glaube, ich brauchte nicht viel Mut, den Film zu machen. Es waren fast nur Leute am Set, mit denen ich schon seit vielen Jahren zusammenarbeite, beim Film und vor allem beim Theater. Wir haben zusammengehalten - und dann war es nicht sehr furchterregend, Regie zu führen. Mut brauchte der Film höchstens, weil er so eine emotionale Nacktheit hat, die Gefühle sehr entblößt.

SZ: Es ist ganz Ih r eigenes Ding, bis hin zur Musikauswahl ...

Hoffman: Na ja, Rivers of Babylon kommt im Stück vor, das war gesetzt - aber die restliche Musik, da habe ich im Schneideraum überlegt, was ich mag und was zu der Stelle im Film gut passen würde. Ich habe mich bei der Arbeit sehr aufs Team verlassen können.

SZ: Sie sagen, dass Ihnen das Spielen normalerweise sehr schwerfällt, auch wenn man es im fertigen Film nicht sieht - war das diesmal auch so?

Hoffman: Oh ja, es war noch schwerer, richtig tough ...

SZ: Eine ganz technische Frage: Ha ben Sie sich jeden Take sofort nach der Aufnahme angesehen? Schließlich geht es in den meisten Szenen, in denen Sie hier spielen, um winzige Nuancen.

Hoffman: Ja, das habe ich getan - ich habe anfangs gedacht, ich würde es auch so schaffen, aber so kann man keinen Film drehen. Man kann nicht zur nächsten Szene übergehen, ohne ganz sicher zu sein, dass wirklich alles da ist, was man später brauchen wird. Und ich zumindest weiß das nicht, bis ich es mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Vielleicht werde ich es eines Tages im Gefühl haben, bislang jedenfalls nicht.

SZ: Ein wenig Routine haben Sie ja mitgebracht - Sie haben die Rolle schon auf der Bühne gespielt.

Hoffman: Bei der LAByrinth Theater Company spielen wir nur neue Stücke, und wir haben dieses auf die Bühne gebracht - ich habe es damals, das ist jetzt ungefähr vier Jahre her, zusammen mit John Ortiz, der im Film meinen Freund Clyde spielt, produziert.

SZ: Eigentlich ist das doch eine eher unnatürliche Art, den Stoff für einen Film zu entdecken - die Bühneninszenierung ist doch schon ein fertiges Kunstwerk, und vieles, was Sie im Film machen - all diese wunderbaren Szenen unter Wasser! -, haben mit dem Bühnenstück doch wahrscheinlich gar nichts zu tun.

Hoffman: Doch, gerade - alle Szenen im Schwimmbad und mit dem Boot am See sind im Stück, und der Schnee - wir mussten das damals auf der Bühne ja irgendwie zeigen und fingen an, zu besprechen, wie man dies oder jenes filmen könnte, also war es für mich sozusagen eine natürliche Entwicklung, das Stück zu verfilmen. Die Szenen, in denen wir hinter Glas spielten, wir seien im Schwimmbad, mochte das Publikum besonders. Aber wir wollten es dann schon noch ein wenig weiter treiben - zeigen, was Jack sich vorstellt, wenn Clyde ihm sagt, er soll visualisieren, was er erreichen will.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich die meisten Menschen mit einem isolierten und deprimierten Jack identifizieren können.

SZ: Steht Ihnen der zaudernde Jack nahe?

Hoffman: Aber ja. Ich denke, Menschen sind so - ihm ist sein Leben entglitten, er hat nichts, was ihn zufrieden machen könnte, auch wenn er mit Clyde eine großartige Freundschaft hat und ein guter Kerl ist. Aber er fühlt sich einsam und isoliert und deprimiert - und er hat Angst. Ich denke, an irgendeinem Punkt in ihrem Leben können die meisten Menschen sich damit identifizieren. Ich kann es jedenfalls.

SZ: Damit, dass jemand aus Angst vor Enttäuschung nicht handelt?

Hoffman: Ja, schon - wie ihm das Abendessen für seine Gäste anbrennt und wie erniedrigt er sich dann fühlt ... Scheitern ist für ihn schmerzlich.

SZ: Das klingt jetzt alles so traurig - dabei ist "Jack in Love" ja eigentlich ein optimistischer Film, fest davon überzeugt, dass Menschen sich ändern können.

Hoffman: Ich finde schon, dass dieser Optimismus angebracht ist - Beziehungen sind es wert, dass man wahrscheinlich am Ende verletzt ist. Aber ich bin mir nicht sicher, dass er sich wirklich verändert. Er trifft einfach auf die richtigen Menschen, die ihm helfen - es hängt im Leben doch oft davon ab, dass man die richtigen Leute trifft und sich auf sie einlässt.

SZ: Wären Sie so geworden, hätten Sie weniger Glück gehabt - mit der Schauspielerei und den Menschen, die Ihnen begegnet sind?

Hoffman: Na ja, ich glaube, ich bin ein bisschen extrovertierter als Jack, ich bringe mich selbst viel eher in Schwierigkeiten, und ich denke wirklich, ich habe etwas mehr Sinn für Humor, wissen Sie? Mein Gott, wenn man ihn das erste Mal beim Abendessen sieht - er ist so ein seltsamer Kauz. Aber ich finde, er hat trotzdem viel Charme, er ist gutmütig und er geht mit seinen Mitmenschen sehr respektvoll um.

SZ: Jeder will i hn retten.

Hoffman: Ja, aber das sagt Clydes Frau, die ihn dauernd rettet, immer wieder: Er kann sich nur selbst helfen. Es ist eine Geschichte über eine Ehe, über Freundschaft - ich persönlich finde die Männerfreundschaft am bewegendsten, sie handelt von Gruppendynamik. Von Leuten, die Hand in Hand gehen.

SZ: Diese Gruppendynamik, in der sich alle unterstützen - ist das der Traum davon, wie Gesellschaften funktionieren sollten?

Hoffman: Na ja, eins ist schon klar: Je größer die Gruppe ist, desto mehr schützt jeder seinen Bereich, desto weniger gibt man preis.

© SZ vom 24.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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