Im Gespräch: Diane Kruger:"Ich träume, also bin ich"

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"Ich verstehe nicht, warum Hollywood in Deutschland als das Absolute gilt": Diane Kruger, Deutschlands erfolgreichster Hollywoodexport, verrät, warum sie Amerika eigentlich gar nicht braucht.

Tanja Rest

SZ: Frau Kruger, Sie sind als einzige deutsche Schauspielerin international erfolgreich. Warum?

"Ich möchte wegen der Rollen, die ich gespielt habe, berühmt sein. Nicht wegen der Männer, mit denen ich mal was hatte": So oder so - Diane Kruger ist Deuschlands erfolgreichste Hollywoodschauspielerin. (Foto: AFP)

Diane Kruger: Gute Frage. Ich bin sicherlich in Frankreich erfolgreich, weil ich dort die Schauspielschule besucht habe und von vielen Leuten unterstützt wurde. In Amerika war vieles Glück. Zum Beispiel jemanden kennenzulernen wie Wolfgang Petersen, der mir die Rolle der Helena in ,Troja' anbot, obwohl ich davor nur zwei Filme gemacht hatte.

SZ: Na, irgendwas werden Sie schon auch beigetragen haben zu Ihrem Erfolg.

Kruger: Ich hoffe, dass es ein bisschen was mit Talent zu tun hat. Und natürlich mit Arbeit. Ich bin sehr - ,ehrgeizig' ist vielleicht nicht das richtige Wort. Man kann ja ehrgeizig sein und die Rolle trotzdem nicht bekommen. Nein, ehrlich: Ich kann es letztlich nicht erklären.

SZ: Sie sprechen akzentfrei Französisch und Englisch. Ist das das Eintrittsticket?

Kruger: In Amerika ist das sehr, sehr wichtig. Und das war schon hart, den Akzent wegzubekommen. Manche Leute schaffen es nie. Aber ich wollte eben nicht in dieser Nationen-Schublade feststecken, wo du am Ende immer nur Deutsche spielst.

SZ: Tarantino soll angeblich nicht gewusst haben, dass Sie Deutsche sind, als er Sie für ,Inglourious Basterds' gecastet hat.

Kruger: Er wollte mich beim Casting eigentlich nicht sehen, weil er dachte, ich sei eine Amerikanerin mit deutscher Oma. Alles sollte ja ganz authentisch sein, ich brauchte in der Rolle als Bridget von Hammersmark einen dicken deutschen Akzent, und den hat er mir nicht zugetraut. Erst als er davon überzeugt war, dass ich auch wirklich deutsch bin, durfte ich vorsprechen.

SZ: Unterm Strich: Haben Sie vielleicht einfach härter gearbeitet als andere?

Kruger: Zumindest habe ich nie meinen Traum aus den Augen verloren. Man kann sich in Hollywood leicht ablenken lassen von diesem Lebensstil, dieser Schauspieler-Blase. Ich wollte nie mein Leben so verbringen: im Chateau Marmont, mit Cocktails, Partys, irgendwelchen Stars.

SZ: Sie sind keine Networkerin?

Kruger: Im Gegenteil. Für mich war das undenkbar und peinlich, jemanden auf einer Party anzusprechen mit: ,Du, ich bin übrigens Schauspielerin.'

SZ: Franka Potente ist mit Matt Damon und ,The Bourne Identity' ganz oben eingestiegen, hat es im Endeffekt aber nur drei Jahre in Hollywood ausgehalten. War ihr Traum nicht groß genug?

Kruger: Ich muss Ihnen mal ganz ehrlich sagen: Ich verstehe nicht, warum Hollywood in Deutschland als das Absolute gilt. Viele kommen aus Hollywood mit eingezogenem Schwanz zurück. Warum eigentlich? Deutschland hat tolle Schauspieler, warum feiert man die nicht? In Frankreich ist das ganz anders. Die Schauspieler dort sind genau so große Stars wie die Amerikaner. Wenn ich morgen in Amerika nicht mehr drehen könnte, wär mir das scheißegal.

SZ: Na ja. . .

Kruger: Doch, wirklich. Klar, Amerika ist toll, es ist ein Glück, dass ich da arbeiten darf. Aber zur Zeit habe ich bessere Angebote in Frankreich. Dieses Jahr drehe ich nur französische Filme. Die Rollen, die mich momentan aus Amerika erreichen, passen einfach nicht so gut.

SZ: ,In Algermissen ist die Welt noch in Ordnung.' Richtig?

Kruger: Das soll ich gesagt haben?

SZ: Das steht auf der Homepage Ihrer niedersächsischen Heimatgemeinde.

Kruger: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Welt dort heiler ist als hier in Berlin.

SZ: Da steht auch, dass die Einwohnerzahl in den letzten 20 Jahren um 20 Prozent gestiegen ist. Sie wiederum konnten nicht schnell genug von da wegkommen.

Kruger: Aber ich wollte nicht explizit weg aus Algermissen. Ich wollte die Welt sehen! Ich weiß auch nicht, warum das schlimm sein soll. Ich bin in Paris gezeugt worden. Meine Mutter hat mir immer zugeraten: Geh mal, geh mal, du musst nach Paris. Ich wollte einen französischen Freund haben, das war mein Traum.

SZ: Kürzlich stand in der "Gala" über Sie: ,Diane Kruger, Deutschlands schönster Hollywood-Export'. Stört es Sie, wenn Sie da so vereinnahmt werden?

Kruger: Ich finde das eigentlich toll. Komischerweise fühle ich mich im Ausland sehr deutsch. Ich bin immer pünktlich, was in Frankreich total nervt, weil die Franzosen grundsätzlich eine halbe Stunde zu spät kommen. Selbst wenn ich zu spät kommen möchte, gelingt es mir nicht.

SZ: Wie sieht Ihr Leben aus, wenn Sie mal nicht diszipliniert sind?

Kruger: Ach, ich habe auch viel um die Ohren, wenn ich nicht arbeite. Ich habe zwei Häuser, in Paris und Los Angeles, mein Partner lebt in Vancouver, weil er dort gerade eine Serie dreht. Mein Leben ist total bunt und durcheinander. Ich liebe es zu reisen. Ich koche gerne. Ich habe so viel zu tun, dass ich manchmal fast keine Zeit habe zu arbeiten.

SZ: Sie haben eine geräuschlose Scheidung hinter sich, man hat Sie nie derangiert in der Öffentlichkeit gesehen. Und nie bei dem erwischt, was die "Bild"-Zeitung ,Fremdknutschen' nennt.

Kruger: Wenn ich feiere, dann tue ich das nicht unbedingt in einer Disco, wo draußen 50 Fotografen auf mich warten. Ich möchte wegen der Rollen, die ich gespielt habe, berühmt sein. Nicht wegen der Männer, mit denen ich mal was hatte. Oder weil ich betrunken ins Taxi steige und kein Höschen anhabe, wie Lindsay Lohan.

SZ: Ist es schwer, mit Ihnen befreundet zu sein?

Kruger: Doch, schon. Weil ich so gut wie nie da bin. Übermorgen zum Beispiel fliege ich nach längerer Zeit mal wieder nach New York. Ich habe nur zwei Tage Zeit, um alle meine Freunde zu sehen. Deshalb versuche ich seit gestern, ein riesiges Essen für 30 Leute in einem Restaurant zu organisieren. Und jeder, den ich anrufe, sagt: ,Wie bitte, du kommst übermorgen? Da habe ich schon was vor.' Und ich: ,Bitte, bitte, wenigstens auf einen Drink!'

SZ: Kein professionelles Zeitmanagement. . .

Kruger: Eigentlich bin ich eher der Unter-vier-Augen-Typ. Ich stelle tausend Fragen in zwei Stunden. Ich hasse es, wenn ich das Gefühl habe, ich hätte bei meiner besten Freundin was nicht mitbekommen.

SZ: Fühlen Sie sich oft gehetzt?

Kruger: Ab und zu schon. Vor ein paar Jahren noch war Arbeiten das Wichtigste. Seit ich meinen Partner kenne, finde ich mein Privatleben oft interessanter als die nächste Rolle. Ich möchte auch mein Leben als Frau nicht verpassen. Ich möchte Kinder bekommen, vielleicht auch mal zu Hause bleiben. Ich kann mir vorstellen, etwas ganz anderes zu machen.

SZ: Das sagen alle Schauspieler.

Kruger: Aber in meinem Fall stimmt es. Ich möchte gerne Schmuck entwerfen und wirklich mal ein Haus in der Toskana haben. Es gibt bestimmt 16 Sachen, die ich mir vorstellen könnte.

SZ: In Ihrem neuen Film ,Barfuß auf Nacktschnecken' spielen Sie die junge Clara. Sie ist ein guter Mensch, der alles richtig machen will, aber dabei vergisst, zu leben. Können Sie das nachempfinden?

Kruger: Ich bin mein ganzes Leben lang weggelaufen, um nie so zu werden, wie Clara ist. Sie müssen wissen, ich komme selbst aus einer relativ schwierigen Familie. Mein Vater war - ist krank, Alkoholiker. Meine Mutter hat gearbeitet, und ich habe immer das Gefühl gehabt: Ich muss aufpassen auf meinen jüngeren Bruder, dass ich gut bin in der Schule und keine Probleme mache. Und irgendwann ging es nicht mehr. Ich war ein Teenager, ich hatte Träume. Und ich hatte das Glück, dass meine Mutter mich gehen ließ. Ich durfte ein Jahr lang mit der Schule aufhören und es in Paris als Model versuchen.

SZ: Clara hätte sich das wohl nicht getraut.

Kruger: Ich konnte mich trotzdem identifizieren. Ich kenne Claras. Es ist keine Schande, Hausfrau zu sein, die eigenen Träume nach hinten zu schieben, wie es Clara tut. Für mich wäre das nur halt nichts gewesen. Später sagt man sich dann: Jetzt bin ich zu alt, nun kann ich kein Französisch mehr lernen. Oder: Jetzt kann ich nicht mehr auf die Schauspielschule gehen. Ich wollte nicht auf etwas hinleben, was dann vielleicht nie eintritt.

SZ: Den Vorwurf des Egoismus kennen Sie?

Kruger: Ich glaube, ich habe bisher sehr, sehr egoistisch gelebt. Meine Träume hatten Vorrang. Jetzt bin ich über 30 und stelle fest: Das war ganz schön ignorant. Ich habe als 16-Jährige mit der Schule aufgehört und ein ziemlich privilegiertes Leben geführt. Ich dachte: Wie intelligent ich doch bin, ich spreche drei Sprachen! Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich gar nichts weiß, mir die tieferen Fragen nie gestellt habe. Insofern: Es wird Zeit.

SZ: Bevor Sie durchgebrannt sind, wären Sie noch beinahe Balletttänzerin geworden.

Kruger: Ich habe mit zwei Jahren angefangen. Mit 13 habe ich mich verletzt und konnte nicht weitermachen. Ich wäre sowieso niemals eine Primaballerina geworden, dazu hatte ich nicht das Talent. Jetzt, wo ich älter bin, merke ich aber, warum das Tanzen so wichtig war für mich als Kind. Es war ein Ventil für all meine inneren Unsicherheiten. In der Schauspielerei verwende ich nach wie vor bestimmte Balletttechniken, wenn ich Angst habe.

SZ: Interessant. Welche denn?

Kruger: Es hört sich vielleicht ein bisschen dumm an. Wenn man sehr aufgeregt ist vor dem Gang auf die Bühne - oder vor einer Szene -, wenn man sich so kribbelig fühlt, dann blockiert man sich ja selbst. Und eine Technik ist, dass man sich für fünf Minuten von allen Leuten isoliert und sich selber berührt. Klingt total blöd. Aber wenn man die Augen schließt, einen Finger in den Mund steckt oder einfach eine Hand auf den Kopf legt, dann hilft einem das, in den Körper zurückzukommen. Das wird beim Ballett sehr oft gemacht.

SZ: Die Rolle von Natalie Portman in ,Black Swan', hätten Sie die gerne gehabt?

Kruger: Ich kenne den Regisseur gut, er ist ein Freund. Aber seit Natalie Portman sechzehn ist, war schon geplant, dass sie in diesem Film spielen sollte, sie war von Anfang an vorgesehen. Ich bin zu alt für die Rolle. Und wäre super frustriert geworden durch diesen Film, da kommt der Ehrgeiz hoch, wenn man mal wirklich Balletttänzerin gewesen ist: ,Schwanensee' zu tanzen ist der absolute Höhepunkt. Und ich hätte es nie so tanzen können, wie der Film das verdient hatte.

SZ: Sind Sie vielleicht über die Maßen kritisch mit sich selbst?

Kruger: Eine meiner Charakterschwächen.

SZ: Als Sie 2009 in Cannes im Kino saßen und zum ersten Mal ,Inglourious Basterds' gesehen haben, wie war das?

Kruger: Ich habe ihn mir wirklich zusammen mit dem Publikum zum ersten Mal angeschaut. Was für einen Schauspieler immer schrecklich ist. Weil man überhaupt nicht weiß: Wie ist der Film? Wie bin ich? Bin ich überhaupt noch drin oder wurde ich in letzter Sekunde rausgeschnitten? Man hat keine Zeit, sich auf Reaktionen einzustellen. Es war einer der schlimmsten Tage meines Lebens.

SZ: Und dann, wie fanden Sie sich?

Kruger: Ich hatte das Gefühl, dass die Figur so geworden war, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Und ich habe festgestellt, dass er, also Quentin, alle meine Szenen drin gelassen hat. Ich war sehr froh hinterher.

SZ: Was muss passieren, damit Sie mal einen deutschen Film drehen?

Kruger: Dass man mir mal ein besseres Drehbuch anbietet! Muss ich echt sagen.

SZ: Ach kommen Sie.

Kruger: Doch! Ich habe bisher zwei deutsche Drehbücher bekommen, und die waren beide leider nicht so toll.

SZ: Ernsthaft? Zwei Drehbücher, nicht mehr?

Kruger: Genau zwei. Das ist keine Lüge, ich würde wirklich gerne mal einen deutschen Film machen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich keinen Agenten hier habe.

SZ: Irgendwelche inhaltlichen oder personellen Präferenzen?

Kruger: Wie heißt denn der, der ,Gegen die Wand' gemacht hat?

SZ: Fatih Akin.

Kruger: Ja, mit dem würde ich furchtbar gerne drehen. Das wäre wirklich ein Traum.

Diane Kruger wurde 1976 als Diane Heidkrüger in Algermissen bei Hildesheim geboren. Schon als Kind begann sie eine Tanzausbildung, die sie wegen einer Knieverletzung abbrechen musste. Mit 16 zog sie nach Paris und arbeitete einige Jahre erfolgreich als Model, schaffte es auf die Titelseiten von Vogue und Elle. Eine zweijährige Schauspielausbildung schloss sie 2002 in Paris als Jahrgangsbeste ab. Im selben Jahr hatte sie ihr Leinwanddebüt mit "Mon Idole", unter der Regie ihres damaligen Mannes Guillaume Canet. Der Durchbruch kam, als Wolfgang Petersen sie 2004 in "Troja" als Helena besetzte. Es folgten unter anderem die "Tempelritter"-Filme mit Nicolas Cage und Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds". Diane Kruger lebt in Paris und Los Angeles und ist mit dem kanadischen Schauspieler Joshua Jackson liiert. Zur Zeit ist sie in "Barfuß auf Nacktschnecken" im Kino zu sehen.

© SZ vom 07.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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