Jeden Tag laufen knapp 8,5 Milliarden Suchanfragen bei Google ein. Der Wissensdurst der Menschen ist ungestillt. Doch egal, wonach man sucht: Die Ergebnisse sind überladen, voll von Werbung und Produktanzeigen. Man muss schon eine Weile, nun ja, suchen, um gute Suchergebnisse zu finden.
Die Google-Suche stirbt, so lautete dann auch eine zugegeben recht reißerische Überschrift auf einem Szene-Blog im Frühjahr. Auch einflussreiche Leute aus dem Silicon Valley haben in jüngster Zeit auffällig oft gegen jene Funktion gewettert, die das Internet für viele Menschen überhaupt erst nutzbar gemacht hat.
Neben der Flut von Werbung wird etwa kritisiert, dass Google immer öfter auf seine eigenen Seiten verweist anstatt auf Ressourcen im Web. Wie das Datenjournalismus-Portal The Markup bei einer Untersuchung von 15 000 Suchanfragen herausfand, verweisen zwischen 40 Prozent und zwei Drittel aller Links auf der ersten Ergebnisseite inzwischen auf Google-Seiten.
Entscheidend ist nicht mehr, dass Websites verständlich sein sollen
Daneben haben die Kritiker einen weiteren Hauptschuldigen ausgemacht. Es handelt sich um die sogenannte Suchmaschinenoptimierung, oft SEO ("Search Engine Optimization") abgekürzt. Längst ist weniger wichtig, ob Texte und Artikel auf Websites verständlich und informativ für Menschen sind, entscheidend ist vielmehr, wie gut die automatisierten Scanner der Suchmaschinen sie lesen können. Um das zu bewerkstelligen, arbeitet heutzutage eine ganze Branche daran, mit möglichst häufiger Nennung von Suchbegriffen in den Artikeln weit oben in der Ergebnisliste zu landen.
Es ist wie so oft: Die Form schlägt den Inhalt. Eindrucksvoll kann man das sehen, wenn man eines der gängigen SEO-Tools benutzt. Diese vergeben einen Zahlenwert, je nachdem wie gut sich ein geschriebener Text in den Suchergebnissen schlagen wird. Leider funktioniert diese Art von Software recht unterkomplex. Bei manchen Programmen reicht es schon, ein bisschen Blindtext mit dem entsprechenden Suchbegriff zu kombinieren, um ein gutes Ranking zu bekommen. So ist es kein Wunder, dass einer etwas älteren Analyse des Online-Marktforschungsunternehmens Similarweb zufolge zwischen der Hälfte und zwei Dritteln aller Suchen nicht mit einem Klick auf eine andere Website enden. Der Nutzer bleibt also ratlos zurück.
Danny Sullivan ist Googles PR-Verantwortlicher für die Suchfunktion und der Meinung, dass einige der jüngsten Frustrationen eigentlich nur widerspiegelten, wie gut die Suche geworden sei. "Wir suchen heute nach Dingen, die wir uns vor 15 Jahren nicht vorstellen konnten, und nehmen an, dass wir genau das finden werden, was wir wollen", sagte er. "Unsere Erwartungen sind weiter gestiegen. Also verlangen wir mehr von diesem Werkzeug." Liegt es also nur daran, dass die Menschen so verwöhnt sind?
Viele "Goggles" statt ein Google
Monopole, weiß der Wirtschaftswissenschaftler, sind nicht unbedingt der beste Nährboden für Innovation. Deshalb testet jetzt der kleine Browser-Anbieter Brave ein neues Tool, das Internet-Suche neu denkt. Die Nutzer sollen ihre Suchergebnisse anpassen können. Mit der nicht gerade subtil "Goggles" genannten Funktion kann man die Auswahl der Websites, die zuerst in den Suchergebnissen erscheinen, mittels Filtern neu justieren.
Die Nutzer können sich also aussuchen, in welchen Quellen die Suchmaschine nach Ergebnissen stöbert. Will man etwa die hübschen, aber auch nichtssagenden Bildchen von Pinterest oder die dämlichen Fragen von Quora ausblenden, die sonst stets notorisch weit oben auftauchen? Sollen es ausschließlich Fachblogs sein, auf denen gesucht wird? Muss die Publikation politisch eher links- oder rechtslastig sein?
Die Funktion stelle einen "grundlegenden Vorstoß in Richtung algorithmischer Transparenz und Offenheit in der Suche dar", so lobt sich Josep M. Pujol, Leiter der Suchabteilung von Brave, selbst. Nicht klar ist aber, wie sich die selbstgewählte Sortierung auf die Filterblasenproblematik auswirkt, die in den vergangenen Jahren zu Parallelgesellschaften im Netz geführt haben soll. Es mag vielleicht sein, dass die Nutzer mit Suchfiltern nur noch die Ergebnisse finden, die sie wirklich sehen wollen. Dumm nur, wenn das die bestehenden Weltbilder weiter zementiert.