Die Attacke der Streichquartettgeige ist ohrzerstörend wild, zumal elektronisch verstärkt. "Nacht der elektronischen Insekten" heißt das erste von dreizehn Stücken, die in George Crumbs legendärem Streichquartett "Black Angels" von 1970 die Apokalypse mit Klängen ausstaffieren. Die Apokalypse 1970, das war der Vietnamkrieg, den der Popgitarrist Jimi Hendrix ein Jahr zuvor in Woodstock in den hemmungslos dekonstruierten "Star-Spangled Banner" eingravierte, die amerikanische Nationalhymne. George Crumb aber wollte mehr als nur ein Abbild von Zerstörung und Weltuntergang.
Denn Crumb, geboren am 24. Oktober 1929 in West Virginia, war immer mehr als ein Komponist. Er war ein Weltendeuter, der alles in seiner Musik zusammenschloss. So finden sich in den zwanzigminütigen "Black Angels" nicht nur avantgardistische Wildheit und Schwärze, sondern viele mit Trauer aufgeladene Zitate: eine Renaissance-Sarabande, John Dowlands "Lachrymae", Franz Schuberts "Der Tod und das Mädchen", die Teufelstrillersonate von Giuseppe Tartini, das "Dies Irae". Und die dreiteilige Reise in den Abgrund, "Departure - Absence - Return", evoziert die "Les Adieux"-Sonate von Ludwig van Beethoven.
Das alles klingt aber nie nach dem Alles-geht der Postmoderne. Weil Crumb die Zitate einhegt mit dem für ihn typischen Klang, der durch Mystik, Naturnähe, Glockensounds, Spiritualität, Politik und Visionäres eine eingängige Atmosphäre erzeugt. Das gilt auch für sein groß ausgreifendes "Star-Child", ein Menschheitsrequiem, das in den Rhythmuskaskaden der Apokalypsetrompeten kulminiert, aber eine Musik des Trostes ist. Oft hat Crumb den von Francos Schergen ermordeten Dichter Federico García Lorca vertont, er hat sich auch durch die Gesänge der Wale zu "Vox Balaenae" anregen lassen und eine Gitarre in "Quest" wie einen mittelalterlichen Helden auf eine Abenteuerfahrt geschickt durch die skurrilen, geheimnisvollen und gefährlichen Klanglandschaften. Am Sonntag ist dieser innovative Weltverführer im Alter von 92 Jahren gestorben.