Galeristen:Kunst im Laden

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Die Galerie Nagel Draxler aus Köln und Berlin eröffnet in München eine neue Dependance. Für Christian Nagel ist es eine Heimkehr, aber eine in bescheidenem Maße

Von Evelyn Vogel

Eigentlich, sagt Christian Nagel, kenne er sich in München noch immer besser aus als in jeder anderen Stadt. Hier könne er dem Taxifahrer schon mal sagen, "nehmen's doch lieber die Straße, das ist kürzer". Dass der Galerist dennoch schon längere Zeit weg ist aus München, merkt man daran, dass er das für das Gespräch vorgeschlagene Café Klenze in der Alten Pinakothek nicht kennt. Das gibt's immerhin schon seit 2005. Doch Nagel, der 1961 in München geboren wurde und hier Kunstgeschichte studiert hat, kehrte seiner Heimatstadt 1990 den Rücken.

In den Achtzigerjahren führte er als Co-Direktor die Galerie Christoph Dürr (damals in der Villa Stuck), zeigte Künstler wie Günther Förg, Martin Kippenberger, Michael Krebber, Heimo Zobernig und Franz West. Nach Meinungsverschiedenheiten brach Nagel seine Zelte in München ab und ging nach Köln, um dort sein eigenes Ding zu machen. Die Stadt im Rheinland war nach dem Aufschwung in den Achtzigern in der Kunstszene gerade mächtig angesagt. Berlin galt nur als arm, aber noch nicht als sexy - jedenfalls noch nicht für den Kunstmarkt. Als sich das änderte, zog es auch Nagel 2002 nach Berlin.

Doch vorerst wurde Köln mit einer 250 Quadratmeter großen Galerie zu seinem Hauptstandort. Hier startete er mit einer Ausstellung von Cosima von Bonin. Institutionskritische Künstler und Konzeptkünstler markierten bald das Programm. Mit der Eröffnung der Galerie in Berlin kamen auch Künstler der jüngeren Generation ins Programm und solche, die aus einer transkulturellen Position heraus den westlichen Kunstkanon hinterfragten. 2009 schlossen sich Saskia Draxler und Christian Nagel zusammen, seit 2013 firmieren sie als Galerie Nagel Draxler.

Zum Start ihrer Galerie in München zeigen Saskia Draxler und Christian Nagel unter anderem die Arbeit „Wheelbarrows of Progress – Tropical Rainforest Preserves (Mobile Version)“ von Mark Dion & William Schefferine. (Foto: Galerie Nagel Draxler, Köln/Berlin/München)

Während der Berliner Standort immer wichtiger wurde, fuhr Nagel das Geschäft in Köln runter. Statt große Galerieräume zu betreiben, mietete er sich von 2011 an in einem Reisebüro ein. "Hier gab es ein interessantes Publikum", fand er. Auch nach Antwerpen streckte er 2010 und 2011 seine Fühler aus. Aber es blieben temporärere Versuchsballons. Seit zwei Jahren gibt es in Köln wieder eine große Galerie von Nagel Draxler mit etwa 200 Quadratmetern, die parallel zum Berliner Standort bespielt wird. Die "Reisebürogalerie" in Köln wird Ende des Jahres aufgegeben.

Nun also kehrt Christian Nagel nach München zurück, wo seine Eltern noch immer leben. Ist die Stadt für ihn als Galerist wieder interessant geworden? "International galt München früher als B-City", sagt Nagel, das war auch mit ein Grund, nach Köln zu gehen und später nach Berlin." Aber ob Berlin - mittlerweile sehr sexy, aber immer noch arm - international den Sprung in die erste Liga geschafft hat, daran hat nicht nur Nagel noch seine Zweifel. Dass zeitgleich die König Galerie aus Berlin bei Ketterer Kunst ein Intermezzo gibt, könnte darauf hindeuten, dass der Münchner Markt wieder reizvoller geworden ist.

Nagel eröffnet hier keine White- Cube-Galerie, sondern hat gemeinsam mit Peter Martin, einem langjährigen Freund und Partner, das neue Projekt konzipiert. Ein Ladengeschäft mit 80 Quadratmetern, in dem Martin im hinteren Teil sein Versicherungsbüro betreibt. Im vorderen Teil mit dem Schaufenster macht Nagel die Ausstellungen. Erfahrung damit hat er: "Ich habe auch in Köln auf 40 Quadratmetern gute Ausstellungen gemacht." Martin kenne sich als langjähriger Sammler bestens aus und könne auch beraten. "Und wenn's spezieller wird", sagt Nagel, "dann kommen wir schon auch persönlich her."

Saskia Draxler und Christian Nagel. (Foto: Laurel Golio)

Die Ladengalerie in München starten Nagel Draxler an diesem Mittwoch mit zwei umweltkritischen Positionen: die der 1985 in den USA geborenen, taiwanstämmigen Malerin Christine Wang, die bei Andrea Fraser in Los Angeles studiert hat. Und die des amerikanischen Künstlers Mark Dion, der mit seinen Arbeiten seit Jahren auf das Artensterben und die Umweltzerstörung hinweist. "Große Positionen der Galerie" sollen das Programm bestimmen, verspricht Christian Nagel. Die Münchner Galerieszene könnte also eine gute Ergänzung durch Nagel Draxler erfahren. Und wer weiß, vielleicht verhilft es der "B-City" München doch noch zu einem A-Rating auf dem internationalen Kunstmarkt.

Das Café Klenze wird Christian Nagel vermutlich besser kennenlernen. Schließlich liegt seine neue Galerie in der Türkenstraße nur ums Eck.

Mark Dion & Christine Wang: Climate Change is Real. Stop Procrastinating! , 24. Oktober bis 1. Februar, Galerie Nagel Draxler, Türkenstraße 43, Ausstellungseröffnung am Freitag, 23. Oktober, 18 Uhr

© SZ vom 23.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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