Fußballbuch "Warum England immer verliert":Intelligentes Kicken vs. Inselfußball

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Sie haben den Fußball erfunden, den Profifußball auch, jetzt stehen die Engländer im Viertelfinale. Dennoch werden sie wahrscheinlich nicht Europameister. Warum nicht? Ein Sportjournalist und ein Ökonom überlegen, warum England am Ende immer verliert - und wie intelligenter Fußball aussieht.

Jörg Später

Es gibt wichtige Fragen im Leben. Etwa, ob die Griechen drin oder draußen bleiben. Ob die Spanier einen Schirm brauchen oder nicht. Ob Hollande in Frankreich gewinnt. Und warum England am Ende immer verliert. Obwohl die Engländer nahezu alle Sportarten erfunden haben, außer Eisstockschießen vielleicht und Beachvolleyball.

Auch bei der diesjährigen EM Hoffnungsträger der Engländer: Stürmer Wayne Rooney. (Foto: Getty Images)

Den Fußball haben sie erfunden, den Profifußball auch. Und erst kürzlich -1966 - waren sie Weltmeister. Seitdem fragt man sich bei jeder großen Meisterschaft wieder, warum sie nicht wieder Meister werden. Es ist eine Frage, die manchen ein Leben lang begleitet hat. Gut, die Engländer sind jetzt im Viertelfinale, aber sehr wahrscheinlich werden sie nicht Europameister werden. Warum nicht?

Eine Antwort verspricht das Buch "Warum England immer verliert" des britischen Sportjournalisten Simon Kuper und des amerikanischen Sportökonomen Stefan Szymanski. Der Frage ist allerdings explizit nur ein Kapitel gewidmet. Keineswegs geht es aber - wie der Untertitel ankündigt - im Rest des Buches um "kuriose Fußballphänomene", sofern man darunter kickende Elefanten, betrunkene Schiedsrichter oder andere Pleiten, Pech und Pannen versteht.

Das Buch hat ein ernstes Anliegen: Es überlegt, wie das Spiel intelligenter und wie das Management von Fußballvereinen auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden kann. Kuper und Szymanskis Anregungen sind weniger kurios (wenn auch einige Übersetzungen so zu nennen wären) als anregend. Man lernt viel über die Psychologie von Fehlentscheidungen auf dem Transfermarkt und den inkompetenten Umgang mit jungen Spielern.

Man erfährt, warum Fußball kein Geschäft wie jedes andere, ja vielleicht überhaupt kein Geschäft ist, weil gewinnen und Gewinne verschiedenen, wenn nicht entgegengesetzten Logiken folgen. Und man bekommt erklärt, warum Johan Cruyff in den letzten vier Dekaden der größte Revolutionär des Fußballs war.

Fußballnationen Honduras und Georgien

Und warum verliert England immer? Zunächst einmal finden die Autoren, dass sich die Three Lions ganz ordentlich schlagen und die Erwartungshaltung zu überprüfen wäre. Ihre Kriterien von relativem Erfolg sind dabei Bevölkerungsgröße, Wohlstand und Anzahl von Länderspielen, also Einwohner, Einkommen und Erfahrung (demnach sind übrigens Honduras und Georgien die besten Fußball-Länder).

Dass England aber nicht mehr Meister wird, liegt daran, dass es nicht auf dem europäischen Kontinent liegt. Kuper und Szymanski sind Anhänger des schnellen, körperbetonten, kollektivistischen Fußballs. Sie glauben an die Wirksamkeit von Netzwerken, die das Fußball-Know-how verbreiten - und die nirgendwo so ausgeprägt wie im alten Europa zu finden sind. Insofern steht jene Frage doch p ars pro t oto für die politische Ökonomie des Fußballs und das Loblied auf Europa in diesem Buch.

Was aber bedeutet es eigentlich, dass die drei letzten Europameister Spanien, Griechenland und Frankreich hießen? Doch das ist eine andere Frage für eine spätere Generation.

SIMON KUPER, STEFAN SZYMANSKI: Warum England immer verliert. Und andere kuriose Fußballphänomene, Edition Tiamat, Berlin 2012. 319 S., 18 Euro.

© SZ vom 19.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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