Austreten
Verlässt Bayern die Bundesrepublik? Oder leidet nur der Ministerpräsident an Blasenschwäche? Das Wort "Austreten" sorgt für Aufregung in der Staatskanzlei. Die Geschwister Schmidbauer, denen mit ihrem letzten Laienfilm-Projekt "Hinterdupfing" eine kleine Kinoüberraschung gelang, wollen in ihrem verfahrenen Heimat-Roadmovie dem Bierbauchgefühl des Freistaates nachspüren, kramen dabei aber mehr Provinzklischees hervor, als sie am Ende aufräumen können.
Blade Runner 2049
Ridley Scotts "Blade Runner" war weniger ein Cyberpunk-Actionfilm als ein Bildgedicht über die Verlorenheit des Menschen - und die Sehnsucht seiner künstlichen Schöpfungen, der Replikanten. Regie-Alleskönner Denis Villeneuve ist sich des großen Erbes bewusst. Er schafft neue halluzinatorische Endzeitbilder und folgt Blade Runner K. (Ryan Gosling), der Zweifel an seiner Mission bekommt - und an seiner Künstlichkeit. Spätestens, wenn in der Todeszone von Las Vegas Harrison Ford auftaucht, bewegt sich der Film auf Augenhöhe mit dem Original.
Blood Simple
1984 haben die Coen-Brüder diesen Meilenstein des Film Noir gedreht. In dem komplizierten Plot, in dem ein Kneipenbesitzer seine Frau (Frances McDormand) und ihren Liebhaber umbringen lassen will und dann selbst auf der Strecke bleibt, ist alles immer unausweichlich, zumindest für die finsteren, gierigen, selbstgerechten Gestalten, die diese Kleinstadt in Texas bevölkern. "Blood Simple" ist nicht nur gut gealtert - die perfekt inszenierten Grausamkeiten haben sogar noch an Relevanz dazugewonnen.
Félicité
Félicité (Vero Tshanda Beya), Sängerin in Kongos Hauptstadt Kinshasa, versucht verzweifelt, Geld für die Operation ihres Sohnes aufzutreiben. Alain Gomis liefert ein starkes Sozialdrama (alles dreht sich ums Geld) und das Porträt einer poetisch überhöhten Kämpferin, die wie in Pasolinis "Mama Roma" zur madonnenhaften Ikone wird. Auf der diesjährigen Berlinale gab's dafür den Jurypreis.
Das grüne Gold
Die Konsequenzen der globalen Spekulation um Ackerland, eindrucksvoll geschildert an einem äthiopischen Beispiel. Im Reportagestil fächert der schwedische Regisseur Joakim Demmer das Verhängnis auf: Zwangsenteignung der Kleinbauern, agroindustrielle Zerstörung ökologischer Vielfalt, Verschärfung von Armut und Hunger durch Entwicklungsprogramme der EU und der Weltbank. Die Darstellung der globalpolitischen Zusammenhänge könnte aber investigativ hartnäckiger und deutlicher sein.
Immer noch jung
Wie gewinnt man Mädchenherzen? Indem man eine berühmte Punkband wird. Handgemachte Musik, Teeniecharme und glückliches Timing katapultierten Jo, Mäx, Schlagi und Fabi als Killerpilze aus der Provinz in den Musikhimmel. David Schlichter und Fabian Halbig haben aus Aufstieg, Fall und Weitermachen eine Doku zwischen Bravo-Heft, Familienalbum und Pogokonzert gebastelt. Wirkt wie ein Biss auf ein Center-Shock-Kaugummi.
My Little Pony
Das Einhorn Twilight Sparkle, Prinzessin im Königreich Equestria, will das perfekte Festival organisieren. Die Versagensangst ist groß, die To-do-Liste lang, der Sturmkönig sorgt für Gefahr, aber die Mähnen bleiben topgestylt. Jayson Thiessen erweckt die Hasbro-Plastikponys zum Leben, aber selbst Pferdemädchen verdienen mehr als pastellgetränkte Klischees.
Die Nile Hilton Affäre
Eine tote Sängerin im Hotel, ein Zimmermädchen als einzige Zeugin. Gejagt von den Tätern aus der korrupten Elite und dem schweigsamen Ermittler, der die Wahrheit sucht und nur Dunkelheit findet: Der Fall, den"Die Nile Hilton Affäre" erzählt, könnte klassischer nicht sein. Trotzdem bringt der schwedisch-ägyptische Autor und Regisseur Tarik Saleh Neues in die Kinos: Sein Film Noir spielt am Vorabend jener Revolte 2011, die Ägypten letztlich auch keine helleren Zeiten bringen sollte. Der Millionen-Moloch Kairo mit all seinen Abgründen ist dabei so überwältigend getroffen, dass man der Handlung verzeiht, wenn selbst sie manchmal kurz staunend innehält.
Tom of Finland
Weil echte homosexuelle Begegnungen im Finnland der Nachkriegszeit gefährlich waren, zeichnete Touko Laaksonen seine Traumtypen: gewaltige Muskelpakete in enger schwarzer Lederkleidung. Unter dem Pseudonym "Tom of Finland" wurde er damit berühmt. In seinem wunderschön gefilmten Biopic bewegt sich Regisseur Dome Karukoski von düsteren Zimmern in der finnischen Provinz hinaus ins freie, sonnenbeschienene Los Angeles der späten Siebziger.
Unter deutschen Betten
Veronika Ferres spielt quasi sich selbst: Ein alterndes Glamour-Girl, das auf ein Comeback im Schlager-Business hofft. Dafür schrubbt sie in einem Film von Jan Fehse, den sie selbst produziert hat, sogar Klos und freundet sich mit ihrer Putzfrau an. Sie will also offenbar unser Mitleid - und das so verzweifelt, dass es sogar fast klappt. Nur dem "echten Leben", um das es angeblich geht, nähert sich der Film nicht mal auf Sichtweite. Die laut Drehbuch arme Putzfrau wohnt in einer stylish runtergerockten Loft-WG. Bizarr.