Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Diamantino bietet ebenso zeitgemäßes wie fundamental queeres Kinos, hingegen schreckt im Provinzschocker "Ma" Olivia Spencer vor nichts zurück.

Von den SZ-Kinokritikern

The Artist & The Pervert

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(Foto: eksystent Filmverleih)

Darf ein renommierter Komponist sich öffentlich zu einer Beziehungsform bekennen, die nicht den sozialen Normen entspricht? Darf sich eine schwarze Frau im 21. Jahrhundert zur Sklavin eines weißen Mannes machen? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die die Liebes- und Lebensgeschichten des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas und der afroamerikanischen Sexualpädagogin und Performerin Mollena Williams-Haas aufwerfen. In ihrem Regiedebüt erweitern Beatrice Behn und René Gebhardt das öffentliche Forum, auf dem das Ehepaar Williams-Haas zu freier Entfaltung von Kunst und Liebe ermuntern und tief wurzelnde Vorurteile zersetzen wollen.

Diamantino

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(Foto: UFO Distribution)

Während einer Lebenskrise adoptiert der portugiesische Fußballstar Diamantino (Carloto Cotta) ein Flüchtlingskind, hinter dem eine lesbische Geheimagentin steckt. Offshore-Konten, neo-faschistische Mächte, Riesenpekinesen und ein Essay von David Foster Wallace bestimmen diesen verrückten und freien Film von Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt: zeitgemäßes, fundamental queeres Kinos von Bastlern und Abenteurern.

Godzilla 2 - King of the Monsters

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(Foto: 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND LEGENDARY PICTURES PRODUCTIONS, LLC)

Durch Sonarsignale werden Godzilla, Ghidorah, Rodan und Mothra geweckt, um bald danach gegeneinander anzutreten. Dass dabei große Städte zerlegt werden, versteht sich von selbst. Die Kämpfe sind trotzdem spektakulär, leider stetig unterbrochen von den menschlichen Problemen einer dysfunktionalen Familie und massenhaft US-Soldaten, die Michael Dougherty mit in den Krieg der Monster schickt. Immerhin thematisiert sein Film, was Kinogänger schon seit 1954 wissen: Man kann Godzilla fürchten, aber man muss ihn auch lieben.

High Life

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(Foto: epd)

Leblos treiben die zurückgelassenen Körper durch den Weltraum, nur noch ein Mann und ein Baby befinden sich an Bord des Raumschiffs, das weiter Kurs auf das Schwarze Loch hält. Dessen Rotationsenergie will die Menschheit anzapfen, aber natürlich geht es der Autorenfilmemacherin Claire Denis eigentlich um etwas anderes: um den Todestrieb. Und deshalb natürlich auch irgendwie um Sex. Nimmt man beides zusammen, landet man bei Robert Pattinson. Sein düsterer Blick hält einen Film zusammen, dessen Szenen wunderbar melancholisch durch den Raum treiben, mit sanftem Gravitationszug in Richtung Erlösung.

Ma - Sie sieht alles

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(Foto: Anna Kooris/Universal Pictures; Anna Kooris/Universal Pictures)

Abends ist es immer rappelvoll bei Sue Ann. Von den Kids, die sie in ihren Partykeller lockt wie eine Hexe von heute, lässt sie sich Ma nennen. Auch den Alkohol schafft sie ran, den die Minderjährigen nicht selbst kaufen dürfen. Die oberen Räume des Hauses sind streng tabu, Ma hat ein dunkles Geheimnis, das niemand kennen soll. Gemeinbrutale Erinnerungen verbinden sie mit den Eltern der Kids. Octavia Spencer ist Ma in dem kleinen Provinzschocker von Tate Taylor, Juliette Lewis die andere Mutter, alleinerziehend, kellnernd.

Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen

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(Foto: HI Film Productions)

Eine Theatermacherin will ein Massaker wieder inszenieren, auf einem öffentlichen Platz, das von Odessa im Oktober 1941, als rumänische Soldaten über 20000 Juden töteten. Radu Judes Film "Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen" zeigt die historische Recherchen dafür, die Differenzen und Widersprüche, ist Vergangenheitserforschung und -verlebendigung. Wie kann man die rumänische Mitschuld am Holocaust zur Darstellung bringen, welchen Bezug dazu können die Menschen von heute haben, wenn sie solche Szenen nachspielen? Der Titel-Spruch stammt vom General Antonescu, dem überzeugten Hitler-Verbündeten.

Mirai - Das Mädchen aus der Zukunft

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(Foto: 2018 STUDIO CHIZU)

Die große Anime-Tradition des japanischen Ghibli-Studios lebt in den Arbeiten der jüngeren Regisseure weiter. Nachdem Mamoru Hosoda in Filmen "Das Mädchen, das durch die Zeit sprang" und "Summer Wars" verschiedene Familienkonstellationen durchgespielt hat, widmet er sich jetzt dem Verhältnis von Bruder und Schwester. Nach der Geburt seiner kleinen Schwester kämpft der vierjährige Kun mit Eifersucht und Wutausbrüchen. Immer wenn er zornig ins Freie stürmt, verändert sich die Welt um ihn herum auf magische Weise und er begegnet Familienmitgliedern aus anderen Zeiten, dem Urgroßvater aus der Vergangenheit oder der Schwester aus der Zukunft. Sie werden zu seinen Paten im Umgang mit seinen Gefühlen und den anderen Herausforderungen des Lebens.

Mister Link - ein fellig verrücktes Abenteuer

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(Foto: 2019 eOne Germany)

Nach "Coraline", "ParaNorman" und "Kubo" haben sich die findigen Animationstüftler des Laika-Studios für ihren neuesten Coup vom viktorianischen London inspirieren lassen. Unter der Regie von Chris Butler beginnt hier quasi eine "Reise in 80 Tagen um die Welt". Auf der Suche nach neuen Entdeckungen trifft der Weltenforscher Sir Lionel Frost (im Original von Hugh Jackman inspiriert und gesprochen, deutsch synchronisiert von Christoph Maria Herbst) auf den letzten, einsamen Sasquatch, den er zu seinen weißen Yeti-Artgenossen in die Eis- und Schneeparadiese des mythischen Shangrila bringt. Die Abenteuerreise mit spektakulären Schauwerten, viel Wortwitz und Slapstick endet mit der schönen Erkenntnis, dass das größte Glück nicht in der Ferne liegt, sondern direkt nebenan. Ein kleines Making-of wird im Abspann gleich mitgeliefert.

Orangentage

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(Foto: obs)

Das Leben verlangt von dem 14-jährigen Darek ganz schön viel. Die Mutter ist gestorben, er muss sich um seine behinderte kleine Schwester kümmern, weil sein Vater den Verlust noch schlechter verkraftet als er selbst. Dann entdeckt er seine Liebe zu den Pferden, zu einem Mädchen, das nach Orangen duftet und das jugendliche Anrecht auf Idealismus. Süßlich ist Ivan Pokornýs Coming-of-Age-Geschichte nicht - aber Kindheit ist auch kein Zuckerschlecken.

Oray

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(Foto: dpa)

Der gläubige Muslim Oray stürzt in eine tiefe Krise, nachdem er im Streit zu seiner Frau die islamische Scheidungsformel "Talāq" sagt. Eigentlich liebt er sie, doch nach islamischem Recht darf er nun nichts mehr mit ihr zu tun haben. Differenziert und fern von jeglichem Klischee gibt Mehmet Akif Büyükatalay in seinem Debüt einen bewegenden Einblick in das Innenleben eines Mannes, der sich im Konflikt zwischen Liebe und Glauben befindet. Oray lebt zwar in einer deutschen Parallelgesellschaft, ist aber eben kein radikaler Islamist.

Peter Lindbergh - Women's Stories

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(Foto: 1/1988)

Der Mann, der Naomi Campbell, Cindy Crawford, Kate Moss, Linda Evangelista oder Claudia Schiffer zu Supermodels machte, redet nicht. Mit den Frauen natürlich schon, da ist er sogar recht lustig und charmant. Vor der Kamera seines Freundes Jean-Michel Vecchiet bleibt Peter Lindbergh aber stumm. Also lässt der französische Regisseur die Frauen des deutschen Fotografen zu Wort kommen, seine Schwester, seine erste Ehefrau, seine zweite Ehefrau. Herausgekommen ist ein schön bebilderter Dokumentarfilm, der Lindbergh zwar recht nahe kommt, ihn dabei aber nur im allerbesten Licht zeigt

Roads

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(Foto: Studiocanal)

Sebastian Schippers große Stärke sind nahezu immersive Szenen, in denen man ganz nah an seinen Charakteren ist. Das sind zwei junge Männer, die mit einem geklauten Wohnmobil durch Marokko, Spanien und Frankreich fahren. Ein britischer Tourist auf der Flucht vor seiner Familie, ein Flüchtling aus dem Kongo. Der Anfang des Films ist stärker als seine zweite Hälfte, in der die klassische Genreplotmechanik bedient wird. Da holpert es manchmal dann doch ein bisschen.

Rocketman

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(Foto: epd)

Elton Johns Leben als Musical - mit Elton Johns größten Hits untermalt. Das könnte das Feelgood-Movie des Sommer sein, ist aber auch eine vertonte Therapiesitzung geworden, die erklären möchte, warum John gesoffen und gekokst und wahllos Sex gehabt hat, sich also wie ein Rockstar der alten Zeit aufführte. Regisseur Dexter Fletcher, der auch schon große Teile von "Bohemian Rhapsody" zum schwingen brachte, hat die Musik allerdings furios inszeniert.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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