Verleihung in Hamburg:Deutscher Sachbuchpreis für Ewald Frie

Lesezeit: 1 min

Der Tübinger Historiker Ewald Frie erzählt in seinem Buch vom Untergang der bäuerlichen Welt im Münsterland. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Der Historiker ist für sein Buch "Ein Hof und elf Geschwister" über das Ende des bäuerlichen Lebens in Deutschland ausgezeichnet worden.

Von Felix Stephan

Der Historiker Ewald Frie ist für sein Buch "Ein Hof und elf Geschwister - Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben" mit dem Deutschen Sachbuchpreis ausgezeichnet worden. Dem Buch, das teils Familiengeschichte ist, teils historische Untersuchung, geht eine besondere biografische Erfahrung voraus: Frie ist als eines von elf Geschwistern in der Epoche vor dem Siegeszug der Massentierhaltung auf einem Bauernhof im Münsterland aufgewachsen und heute Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen. In dem Buch untersucht also der Historiker Ewald Frie gewissermaßen die Herkunftswelt des katholischen Bauernjungen gleichen Namens. Eine exzellente Entscheidung der Jury.

In seiner Dankesrede bei der Verleihung in der Hamburger Elbphilarmonie sagte Frie, es sei ihm auch darum gegangen, eine andere Geschichte der Bundesrepublik zu erzählen, die nicht das Leben in den Städten und das Wirtschaftswunder ins Zentrum stelle, sondern das Leben auf dem Land. Noch 1940 sei ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland in der Landwirtschaft tätig gewesen.

Diese Welt ist binnen einer Generation nahezu spurlos verschwunden, inklusive ihrer Sozialkultur, ihrer Sprache, ihrer handwerklichen Fähigkeiten. Seine Eltern und seine älteren Geschwister hätten noch Plattdeutsch gesprochen und anhand von Wolkenformationen das Wetter vorhersagen können. Sie hätten eine andere Zeit noch selbst erlebt, sie seien noch aufgewachsen in einer Welt mit monatlichem Zuchttiermarkt, Kirche, Kinderarbeit. Von diesem Weltenwandel zwischen Vierziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts habe er erzählen wollen.

Gleichzeitig erzählt Frie den Untergang der bäuerlichen Welt im Münsterland, ihren "Indian Summer", wie er es in Hamburg formulierte, nicht als bloße Verlustgeschichte, sondern aus der Perspektive von Akteuren, die für die Veränderungen, denen sie ausgesetzt waren, selbst noch keine Sprache hatten. Die meisten seiner Geschwister haben sich bewusst gegen das bäuerliche Leben entschieden und dadurch Wahlfreiheiten, und Möglichkeiten erlangt, die ihren Eltern verwehrt waren. Sie hätten sich ein Leben gewünscht, so Fried, in dem man nicht "immer arbeitet".

In seiner Dankesrede sagte der Autor, an diesem Abend werde "Wolke 2", der Star der Kuhherde seines Vaters, schon zum zweiten Mal ausgezeichnet: Einst als rotbunte Sieger-Kuh auf der DLG-Schau - jetzt als Hauptfigur eines Buches mit dem Deutschen Sachbuchpreis.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ewald Frie: "Ein Hof und elf Geschwister"
:"Wir rochen nicht mehr nach Kühen"

Sein Vater konnte Ferkel kastrieren, Ewald Frie ist Historiker geworden. In "Ein Hof und elf Geschwister" erzählt er die Geschichte seiner Familie als Auszug aus einer versinkenden Welt.

Von Johan Schloemann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: