Electro:Der Vierte von "Fanta 4"

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Die Schaltzentrale im Hintergrund: And.Ypsilon schraubt still am Sound seiner Fanta 4. (Foto: Mumpi Kuenster Monsterpics)

Die Münchner Reihe "Knobs And Wires" soll Raum schaffen für lebendige Synthesizer-Musik. Prominenter Gast in der Favoritbar: And.Ypsilon

Interview von Michael Zirnstein

Nächsten Mai spielt Andreas Rieke alias And.Ypsilon mit den Fantastischen Vier zwei Mal auf dem Königsplatz. Jetzt schon kann man ihm in der Favoritbar von ganz nah auf die Finger schauen. In der Reihe "Knobs And Wires", die in München einen Raum für lebendige Synthesizer-Musik schaffen will, geht der Produzent der deutschen Hip-Hop-Altmeister gemeinsam mit Mario Schönhofer (Ströme) und Mathias Kettner (Der Mann mit der Maschine) seiner Leidenschaft nach: den Grooves und Sounds aus live gespielten modularen Analog-Synthesizern.

SZ: Wie haben Sie als Stuttgarter Popstar die Münchner Electro-Tüftler "Ströme" kennengelernt?

Andreas Rieke: Ich war auf der Website von "Superbooth" ( eine Messe für elektronische Musik, Anm. d. Red.), da habe ich ein Video von den Ströme-Jungs gesehen: Mensch Meier, die haben's drauf. Ich habe gleich im Netz gekuckt, was es von denen noch alles gibt. Ich finde ihre Modular-Musik äußerst fundiert, was in dem Genre selten ist.

Wann ist es für Sie fundiert, wenn jemand so ein aus einzelnen Kästen - den Modulen - aufgebautes Instrument voller Kabel, Drehregler und Schalter spielt?

Ihre Musik ist kompositorisch toll und tanzbar, und die Live-Peformance ist im Vordergrund. Was bei Ströme besonders ist: Da spielen nur Maschinen, trotzdem hörst du menschliche Spielfreude - das ist die Königsdisziplin.

Wie kam dann der Kontakt zustande?

Ich dachte mir: Wenn ich live besser werden will, brauche ich auch solche Geräte - womit arbeiten die denn? Ich habe genau hingeschaut: Ah, der Audio Damage Sequenzer, zweifach vorhanden, der muss gut sein, so einen brauche ich, ach, der wird gar nicht mehr hergestellt, schaue ich mal gebraucht, ah, da verkauft einer einen, ein Tobias aus München: Das waren doch tatsächlich die Ströme. Ist doch charmant, wie zufällig und etwas heimlich das lief. Weil ich habe nicht geschrieben: Hey, hier ist der And.Ypsilon von den Fanta 4. Das mache ich nie, da glaubt einer dann nur, er müsse einen Sonderpreis machen.

Was kostet denn so ein Gerät?

Paar hundert Euro, nicht die Welt.

Die Ströme haben neulich ein sehr wertvolles Instrument gespielt: Als Eberhard Schöner seinen Moog 3P dem Deutschen Museum übergab. Es ist der Synthesizer, den der Elektropionier einst bei Robert Moog in den USA aus der Garage wegkaufte, die Beatles hatten ihn just zurückgeschickt, weil er ihnen zu kompliziert war.

Auf dem habe ich auch schon gespielt. Ich war mit den Ströme-Jungs zusammen auf dem Stadlberg im Haus von Eberhard. Da haben die Jungs für ihr Album recordet, ich durfte ein paar Tage dazustoßen. Ich habe meinen alten Korg MS 20 mitgebracht, mein Urgesteinspferd. Dann bin ich in den Genuss des Moog-Modulars gekommen. Und dann auch noch so ein Super-Original, Nummer 3 von 1968 - der ist so alt wie ich.

Das klingt ehrfürchtig.

Ja, die Ausstrahlung war erstaunlich. Das klingt esoterisch, ist aber so. Wir hatten den neuaufgelegten Moog danebenstehen, aber das alte Instrument ist so aufgeladen mit Energie. Eine andere Dimension.

Obwohl das nur Kabel sind, durch die Strom fließt, hat es doch ein Eigenleben wie ein handgespieltes Instrument?

Ja. Dass ein altes Instrument anders klingt, ist bei Analog-Synthesizern normal, weil die Bauteile altern. Die Halbleiter altern, die Widerstände ändern ihren Wert, das Ganze schwingt sich auf ein stabileres System ein. Wie bei Gitarren, da klingt eine neue auch anders als eine, die schon viel gespielt worden ist.

Ist elektronische Experimentalmusik nur etwas für Nerds oder ein essenzieller Bestandteil aktueller Pop-Musik?

Für mich ist das ein wichtiger Bestandteil. Wobei ich jetzt nicht fordere, dass alle Sounds mit dem Modular gemacht werden müssen - obwohl ich seit etwa vier Jahren genau so drauf bin. Von da an gab es haufenweise interessante Module von neuen Entwicklern, nicht nur Vintage-Replika. Im Modular-Bereich gibt es eine experimentierfreudige Kaufklientel, die abgefahrene Ideen gut findet - so wie ich.

Schlägt sich Ihre Analog-Synthesizer-Begeisterung in Fanta-4-Stücken nieder?

Auf dem letzten Album "Captain Fantastic" gibt es einige solche Soundspuren, und es gibt auch ein Solo-Stück von mir, das ist fast ausschließlich modular.

In welchem Hit kann der Laie das zum Beispiel heraushören?

Heraushören? Nicht unbedingt. In "Zusammen" zieht sich eine Modular-Spur von hinten bis vorne durch, die doppelt die digitalen Tracks und verleiht denen Leben, weil sie sich eben nicht streng wiederholt. Würde man die Spur abschalten, würde man es merken, weil sie den leeren Raum beseelt.

Bei großen Pop-Konzerten heißt es oft, die würden eh nur von der Konserve abgespult. Wie live sind denn die Fanta 4?

Um das mehr live zu machen als über die reine Konserve hinaus - so ging Hip-Hop-Musik ja durchaus los -, arbeiten wir seit 1993 in einem hybriden Setup. Damals war Joe Dauner unser erster Drummer, heute ist es eine ganze Live-Band. Es gibt immer auch die Sequenzer-Spuren, ja, die sind durchaus wichtig, die sorgen dafür, dass der Sound über den einer Live-Band hinausgeht. Best of both worlds.

Sie gehen 2020 auf "30 Jahre live"-Tour . Die Tickets gibt es ausschließlich bei Aldi. Sehr ungewöhnlich im Konzertbusiness.

Durchaus. Wir wollten gegen das herrschende Ticket-Monopol vorgehen. Dieses Geschäft führt zu so lustigen Sachen, dass man fünf Euro Gebühr bezahlen muss, wenn man sich sein Ticket selber ausdrucken will. Die können verlangen, was sie wollen. Bei uns aber bleiben die Preise brav, obwohl wir eine größere Produktion denn je fahren. Dieser Move unseres Managers Bär mit dem neuen Vertrieb kommt vielleicht komisch rüber, aber ich wette, in zwei, drei Jahren verkaufen Tausende Bands Tickets bei Aldi, Lidl und Eduscho.

Noch billiger ist es bei "Knobs And Wires". Der Abend ist gratis, weil der Veranstalter den sozialen Gedanken verfolgt, Live-Electro allen zugänglich zu machen.

Deswegen unterstütze ich das auch. Der Laden ist ja viel zu klein, um damit Geld zu verdienen. Und für uns ist es eine willkommene Gelegenheit, uns vor interessiertem Publikum auszuprobieren. Das sind die Aktionen, wo ich als Musiker am meisten dazulerne. Das ist mein Lohn bei der Sache.

Smudo hat mal gesagt, er fände es fürchterlich, mit den Fanta 4 wieder in Jugendzentren auf Europaletten aufzutreten.

Sehe ich auch so, für die Fanta 4 wäre das nicht angemessen, weil wir haben eine andere Evolution hingelegt. Hier bei der Aktion geht es nur um mich als Musiker, nicht mal als Produzent. Ich habe schon mehrere so kleine Aktionen gemacht mit der Band Netzer in Stuttgart, da sind mir im Flow Dinge gelungen, von denen ich nicht gedacht hätte, sie seien möglich: Wow! Dieses Erkenntnislevel erreiche ich nicht in meinem Studio-Eremitendasein.

Knobs & Wires: And.Ypsilon, Matthias Kettner, Mario Schönhofer, Mi., 11. Dez., 21.30 Uhr, Favoritbar

© SZ vom 10.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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