Einbruch in Atelier:Schrottdiebe zerstören Kunstwerk von Anselm Kiefer

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Blei zu Gold, äh, Geld! Der deutsche Bildhauer Anselm Kiefer wurde Opfer von Schrottdieben. (Foto: dpa)

Dem Bildhauer, der sich "Freund des Bleis" nennt, sind fünf Tonnen des Materials gestohlen worden. Ein Teil war blöderweise in einem 1,3 Millionen Euro teuren Kunstobjekt verbaut.

Von Gerhard Matzig

Weil die Preise für Metalle steigen, boomt auch ein besonders materialintensives Gewerbe: der Schrottdiebstahl. Wobei Schrott nicht nur Schrott ist. Manchmal geht es auch um Gullydeckel, Gleise oder Bronzebuchstaben von Grabplatten. Eigenheimbesitzer bewachen in dunklen Nächten mitunter nicht Tresore oder Schmuckschatullen, sondern Regenrinnen.

Telefonleitungen, Schienenstränge, Baustoffdepots: Nichts ist sicher. Die Kunst sowieso nicht. Das musste vor einigen Tagen auch der deutsche Maler und Bildhauer Anselm Kiefer erfahren. Wie Le Monde am Dienstag berichtete, wurden ihm aus seinem in der Nähe von Paris gelegenen Atelier fünf bis sechs Tonnen Blei entwendet. Die Diebe haben den Schutzzaun durchschnitten und ein aus etlichen Tonnen Blei und Marmor bestehendes, 1,3 Millionen Euro teures Kunstwerk zerstört, um an das Material zu gelangen. Es geht also nicht um Kunstdiebstahl - die Diebe wollten das Blei zu Gold, respektive Geld machen: Alchemie der bösen Sorte.

Kiefer, der sich selbst als "Freund des Bleis" bezeichnet, wurde übrigens schon einmal von Metalldieben heimgesucht. Das war im Jahr 2008 - wieder in Frankreich, wieder Blei. Und kurz zuvor jagte die britische Polizei den "Meltdown Mob". Eine Bande aus "Kunstschmelzern" hatte Dutzende Bronze-Skulpturen aus öffentlichen Anlagen gestohlen. Geklaut wurden bereits Werke von Lynn Chadwick oder Henry Moore. In Madrid konnte die Polizei gestohlene Plastiken von Chillida, Picasso und Botero sicherstellen.

Materialwert: 1700 Euro. Aber auf dem Kunstmarkt war die Skulptur 4,4 Millionen wert

Der Wahnsinn, der dieser Kriminalität eigen ist, lässt sich am besten so veranschaulichen: Moores Plastik "Reclining Figure", die 2005 in Hertfordshire gestohlen und bald danach eingeschmolzen wurde, hatte einen Materialwert von 1 700 Euro. Der Kunstmarktwert betrug aber 4,4 Millionen. Mal abgesehen vom ideellen Wert.

Leon Battista Alberti, der große Kunsttheoretiker der Renaissance, schrieb in seinem Buch "Über die Malkunst", es sei besser, Gold darzustellen - als es zu verwenden. Im vorausgehenden Mittelalter war Gold für die Malerei, für Mosaike oder Altäre von zentraler Bedeutung. Alberti markiert den Beginn des Illusionismus der neuzeitlichen Kunst und somit den Sieg der Form über das Material.

Das aber ist eben nun die bittere Pointe: Künstler wie Kiefer betonen explizit gegen den Illusionismus wieder die Archaik des Materiellen in ihren Werken. Noch archaischer ist es natürlich, in einem Kunstwerk gleich auch den Materialwert zu erkennen. Vielleicht werden die Künstler eines Tages dazu gezwungen sein, Blei, Marmor und Bronze wieder als Blei, Marmor und Bronze illusionistisch erscheinen zu lassen. Und vielleicht findet das dann auch die Kupferregenrinnen- Industrie spannend.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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