"Die Poetin" im Kino:Verlieren als Kunstform

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Haben sich gern: Elizabeth Bishop (l.) und Lota de Macedo Soares. (Foto: Pandastorm/dpa)

Das Biopic "Die Poetin" von Bruno Barreto erzählt die Geschichte der amerikanischen Dichterin Elizabeth Bishop, die auf einer Durchreise in Rio hängenbleibt - und dort in einer Menage à trois mit zwei Frauen ein neues Leben beginnt.

Von Susan Vahabzadeh

Elizabeth Bishop hat aus dem Verlieren eine Kunstform gemacht, aber man muss, um etwas verlieren zu können, erst einmal etwas haben. Elizabeth Bishop verlor die Eltern früh - und bekam dafür ein Erbe, dass ihr ausgedehnte Reisen ermögliche, alles andere als selbstverständlich für eine alleinstehende Frau in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. So kam sie 1951 auch nach Brasilien, kurz zuvor war sie Poet Laureate der USA geworden, und nun suchte sie nach Inspiration. Damit beginnt Bruno Barretos Film "Die Poetin" - mit Elizabeth (Miranda Otto), die von New York Abschied nimmt, ihrem Freund Robert Lowell (Treat Williams) und der eigenen Arriviertheit.

Elizabeth will nur ein paar Tage in Rio bei Mary (Tracy Middendorf) bleiben. Diese lebt mit einer Brasilianerin zusammen, die für Elizabeths Art, eine Mischung aus wohlerzogener Neuengland-Reserviertheit und Zickentum, wenig Verständnis hat: Lota de Macedo Soares (Glória Pires) ist brillant, sachlich, scharfzüngig, präzise, mit einem Selbstbewusstsein, von dem Elizabeth nicht einmal träumen würde - und als sich Lota dann von Mary abwendet und sich in die Neuangekommene verliebt, ist sie hin und weg. So sehr, dass sie nicht widerstehen kann, als Lota ihr ein Arrangement anbietet: eine Menage à trois in zwei Häusern, mit Mary.

Priviligierter Haushalt

Das neue Haus, das Lota in den Hügeln baut, ein schöner, klarer Bau, gläsern und hölzern und visionär, spielt eine ziemlich große Rolle in Barretos Film, es beschreibt so schön, wie Lota gewesen sein muss, inklusive aller Privilegien - sie kam aus einer einflussreichen Familie, und die fröhliche durchmischte Kommune, die sich auf Lotas Anwesen formiert, wäre unter anderen Umständen damals kaum überlebensfähig gewesen. So aber kommt sogar noch ein Kind dazu, und jede Menge Probleme, Schaffenskrisen, Eifersuchtsdramen, ein Melo unter Frauen, das sich irgendwann auch vor dem Hintergrund der Politik, der brasilianischen Machtverhältnisse in den Fünfzigern abspielt - aber getrieben von Aufbruchstimmung.

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Manchmal entwickelt "Die Poetin" einen witzigen Drive. Einmal rauscht Elizabeth, ganz die genervte Künstlerin, ins Wohnzimmer, wo gerade wieder mit dem schreienden Baby herumgemacht wird, was ihr auf die Nerven geht - aber was erst aussieht wie eine große Szene, ist letztlich nur eine Attacke auf ein verstopftes Milchfläschchen. Die Energie der beiden Protagonistinnen ist das Schönste an diesem Biopic, das ansonsten solide und formal bleibt.

Beide Frauen sind heute nicht mehr präsent, die Dichterin Bishop nicht und nicht die Architektin Lota de Macedo Soares, die so gern ein neues Brasilien gestaltet hätte. Die Sache ging tragisch aus. Aber das Verlieren hatte Elizabeth ja gelernt. Ich verlor zwei Städte, verlor zwei Flüsse, einen Kontinent. . . Die Zeile stammt aus einem ihrer Gedichte, es heißt "Die Kunst des Verlierens".

Flores Raras , Brasilien 2013 - Regie: Bruno Barreto. Buch: Matthew Chapman, Julie Sayres. Kamera: Mauro Pinheiro. Mit: Glória Pires, Miranda Otto, Tracy Middendor f. Pandastorm/N. Visionen, 118 Min.

© SZ vom 15.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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