"Deadpool 2" im Kino:Der Kampf um mehr Diversität kann eine Riesengaudi sein

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Man hätte in "Deadpool 2" auch einfach das "Gender Pay Gap" nachrechnen können. Aber Diversität ist cooler. (Foto: Fox)

"Deadpool", der selbstreferenziellste aller Superhelden, weist im zweiten Teil den Weg in die Zukunft mit verhäckselten weißen Männern und jeder Menge Popreferenzen.

Von Philipp Bovermann

Man kann Diversität im Kino durchsetzen, indem man die wichtigen Rollen mit ernsten neuen Sympathieträgern besetzt. Man kann daraus aber auch eine Riesengaudi machen. Für diesen Weg, der ganz mühelos in die Zukunft des kommerziellen Kinos weist, entscheidet sich "Deadpool 2".

Der Held Deadpool, den wir im ersten Teil als sarkastischen Sprücheklopfer kennengelernt haben, sprengt sich zu Beginn des Film vor lauter Trauer über einen jüngst erlebten Verlust erst einmal selbst in die Luft. Sein Kumpel Colossus sammelt daraufhin die Einzelteile auf und schleppt sie ins Hauptquartier der Mutantentruppe "X-Men". Dort kann der Held in Ruhe wieder zusammenwachsen. Dank Superheilung kein Problem, nur sein Herz liegt weiterhin in Scherben.

So untenrum frei war schon lange keine größere Hollywood- Produktion mehr

Statt still zu trauern, rumpelt Deadpool in einem Rollstuhl durch die leeren Flure, stößt achtlos ein paar Büsten von den Sockeln und wundert sich, warum hier so viele alte, weiße Männer an den Wänden hängen. Als der aus Metall bestehende Colossus ihn zu beruhigen versucht, drückt er sich an dessen Bauch und umfasst mit der anderen Hand zärtlich eine metallene Pobacke. Colossus will die Hand wegschieben, doch Deadpool langt noch einmal zu. Nur damit beim Zuschauer keine Missverständnisse aufkommen: Ja, das war schon so gemeint. Im Hintergrund der Szene ist ein Porträt von Karl Marx zu sehen. Das hängt da offenbar einfach so rum.

Der ganze Film ist ungeniert aus solchen Versatzstücken und Referenzen zusammengekleistert. An einer Stelle sogar der Held selbst. Nachdem ihm jemand im Gefecht die Beine abgerissen hat, muss er sich ein neues Paar wachsen lassen. Trotz seines weiterhin stattlichen Mannes-Oberkörpers sind sie erst noch im Entwicklungsstadium eines Kleinkinds, als er bei einer Team-Besprechung ohne Hose und Unterwäsche damit auf dem Sofa sitzt. "Einem Krieger ist nichts peinlich", sagt Deadpool und überschlägt seine Beinchen wie Sharon Stone in "Basic Instinct". So untenrum frei war schon lange keine größere Hollywood-Produktion mehr.

Bereits im ersten Teil klopfte "Deadpool" mächtig Popreferenzen raus, der Titelheld drohte Gegnern beispielsweise, er werde mit ihnen anstellen, was Limp Bizkit in den Neunzigern mit der Musik gemacht hätten. Dieses Spiel geht nun weiter, allerdings kommt jetzt auch das subversive Potenzial des Pop zum Tragen. Die Samples und Zitate werden zum Katalysator gesellschaftlicher Entwicklungen. Man hat das zuletzt im ganzen Superheldengenre beobachten können: Bestehende Narrative wurden in neue Kontexte verschoben. So spielte "Black Panther" plötzlich in Afrika, sampelte lokale Sprachkolorite und Modestile. In "Wonder Women" lernten wir eine matriarchale Gesellschaft kennen. "Deadpool 2" liefert nun gewissermaßen zur Praxis die Theorie nach.

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Der Held lädt zum Superhelden-Casting für seine neue Truppe. Er nennt sie genderneutral nun "X-Force", denn die "X-Men" seien "eine veraltete Metapher für Rassismus in den Sechzigern". Aber wie das halt so ist, melden sich auf die Anzeige fast nur weiße Männer. Darunter ist auch ein dicklicher Typ namens Peter. Er hat gar keine Superkraft, aber einen gewaltigen Schnurrbart, hat die Anzeige gesehen, fand's witzig und wollte es einfach mal versuchen. Weil Männer, die Schnurrbärte und ein gesundes Selbstbewusstsein haben, immer einen Job kriegen, ist natürlich auch er an Bord der X-Force.

Doch schon bei ihrem ersten Sprung aus einem Flugzeug landen die tapferen Mannen in einem Häcksler, an einer Stromleitung, in den Rotorblättern eines Hubschraubers, oder wo man halt sonst so sterben kann.

Der Film hätte auch einfach von vornherein einen diverseren Cast ins Rennen schicken können, dann hätte aber die Auseinandersetzung über den Fortschritt gefehlt. Wenn man nun gewillt ist, sie eben doch zu führen, gibt es dafür verschiedene Ansätze: Entweder pädagogisch wertvoll, durch Ermahnungen, Überzeugungsarbeit, Nachrechnen des "Gender Pay Gap". Oder man jagt halt einfach ein paar weiße Männer durch den Häcksler - weil Diversität verflucht noch mal einfach cooler ist. Deadpool sagt: "Ich kämpfe für das Richtige, und manchmal muss man eben schmutzig kämpfen."

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Als Einzige überlebt die Frau der Truppe. Sie heißt Domino, hat einen Afro. Ihre Superkraft? "Glück", sagt sie. Und tatsächlich: Kugeln sausen stets haarscharf an ihr vorbei, und wenn sie in die Tiefe fällt, landet sie weich, beispielsweise auf einem aufblasbaren Panda. Die notorische Unverwundbarkeit vieler Filmhelden, meist nur Ausdruck der Faulheit ihrer Schöpfer, wird hier explizites Programm. Als Metapher ist das ziemlich genial. Denn es gibt im Kino natürlich kein Glück, nur die Entscheidungen der Drehbuchschreiber.

Damit nicht wieder nur weiße Männer die Helden sind, kommen sie in den Häcksler

Deadpool hingegen fängt sich sehr wohl Kugeln ein und bricht sich regelmäßig alle Knochen, aber er hat ja seine Super-Selbstheilungskräfte, die will ihm der Film auch nicht nehmen. Wäre ja auch irgendwie schade, wenn der männliche Held gleich sterben müsste, bloß weil mal jemand neben ihm Glück haben darf. Zu diesem Entschluss scheinen die Autoren auch hinsichtlich der über den Häcksler aussortierten männlich-weißen "X-Force" gekommen zu sein. Deadpool darf ganz am Schluss, nach den Credits, noch mit einer Zeitreise-Armbanduhr durch seinen eigenen Film reisen und ein paar Dinge geradebiegen. Er nutzt die Gelegenheit, um den Schnurrbart-Mann Peter, der doch eigentlich nur Dominos E-Mail-Adresse wollte, von der tödlichen Gefahr weg zu dirigieren und ihm alles Gute zu winken: "Geh nach Hause, Zuckerbärchen!" Der Rest der Möchtegern-Supermänner bleibt aber verhackstückelt, denn die haben es irgendwie verdient.

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Deadpool muss die Bad Guys trotzdem in Zukunft nicht allein zu Kebap verarbeiten. Eher beiläufig, ohne Casting, so wie das auch im echten Leben klappen sollte, läuft ihm schließlich doch noch eine eigene Truppe zu. Zum Ende des Films kriegen sie sogar die quasi-offizielle Superhelden-Team-Einstellung - nebeneinander in einer Reihe und in Slow Motion auf die Kamera zuschreitend.

Am Start sind: Colossus, der russischstämmige Riese mit den knackigen metallenen Pobacken; ein lesbisches Teenager-Mädchen und seine japanischstämmige Freundin; ein "alter, weißer Knacker", gespielt von einem alten, weißen Knacker; ein blutrünstiger indischer Taxifahrer; und natürlich Deadpool, den seine Freundin ermahnt, er möge doch bitte nicht mit Colossus schlafen. Man kann dieser Truppe nur alles Gute wünschen.

Deadpool 2 , USA 2018 - Regie: David Leitch. Buch: Rhett Reese, Paul Wernick, Ryan Reynolds. Kamera: Jonathan Sela. Musik: Tyler Bates. Mit: Ryan Reynolds, Josh Brolin. Verleih: Fox, 119 Minuten.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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