Damals & heute:Das wilde Leben der Punk-Pioniere

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"Condom", Konstante des Münchner Undergrounds

Von Dirk Wagner

Weil die Müllabfuhr streikte, ertrank London 1976 im Dreck. Etwa zeitgleich trat die New Yorker Punkband The Ramones in Camden auf, und ein paar arbeitslose junge Engländer entdeckten in deren Musik den Soundtrack ihres eigenen Daseins. Kurz darauf nahmen die Engländer ihre eigenen Platten auf und bald schon hielt Willy Storbeck im Münchner Schallplattenladen Lindbergh die erste Sex Pistols-Single in seiner Hand. "Da hat's mir den Vogel raus gehauen", beschreibt Willy den Augenblick, als er die Platte in einer Hörkabine des Geschäfts zum ersten Mal anhörte. So laut habe er den Sound aufgedreht, dass er schließlich aus den Laden geschmissen wurde.

Tatsächlich hat die neue Punkmusik Willy sogar aus seinem ganzen bis dahin ertragenen Leben geworfen, hinein in ein neues Selbstverständnis als Punk. Prompt kleidete er sich im Stil der englischen Vorbilder. Damit zählte er zu den ersten Punks der Landeshauptstadt. Mit The Junks hatte er als Drummer schon ein wenig Aufmerksamkeit genossen, als er 1979 mit dem 13-jährigen Sänger Patrick Deyda, dem nur ein Jahr älteren Gitarristen Peter Pichler, dem Bassisten Wufti und dem Keyboarder Tschinge, der bald schon zum Bass wechseln sollte, die deutschsprachige Punkband Condom gründete. "Unsere Songs hatten nur zwei Akkorde. Mehr konnten wir ja nicht", erinnert sich Peter, der mittlerweile Musik studiert hat. Dass Willy schon älter war, hätte ihnen den Zugang in die hier erstarkende Punkszene ermöglicht. Wobei München weit war von der restlichen deutschen Punkszene, die sich hauptsächlich zwischen Hamburg, Ruhrgebiet und Berlin vernetzt hatte. "Wir hingen mehr mit österreichischen und Schweizer Punks zusammen", sagt Peter. Die Rote Fabrik in Zürich war ein von ihnen viel bespielter Ort. Dort verkaufte er mit dem Sänger Patrick auch ein paar Exemplare ihrer ersten, selbst produzierten Single.

Als sie mit den übrig gebliebenen wieder nach Deutschland fuhren, wurden sie im Zug festgenommen. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß wurde auf der Single nämlich sowohl als ein Nutztier als auch als korpulenter Anhänger rechtsradikaler Gedanken beschimpft. Ein Staatsanwalt forderte darum eine Gefängnisstrafe für die erwischten Bandmitglieder. Dafür seien sie zu jung, hatte die Richterin abgewunken und verurteilte sie zu Sozialstunden. "Witzig war das damals nicht", stellt Peter klar. Als Sohn einer allein erziehenden Mutter hätte er damals Angst gehabt, dass man ihn dafür womöglich ins Heim stecken würde. Trotzdem blieben auch die Verurteilten dem Punk treu.

Noch heute, nach 40 Jahren, spielt die Band immer wieder in ihrer Urbesetzung. Hätte Willy damals die interessierten Medienvertreter von Bravo und ARD nicht beschimpft und angespuckt, vielleicht wäre ihre Karriere ganz anders verlaufen. So blieben sie eine Konstante des echten, unverkauften Münchner Undergrounds. Die Besucher des Konzerts im X-Club bekommen zum Eintritt auch eine CD mit dem Mitschnitt eines Condom-Konzerts aus den frühen 1980ern in Ampermoching.

Condom , Fr., 20. Dez., X-Club, Sternstr. 20, 20 Uhr

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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