Condé Nast kauft Pitchfork:Das Ende von Indie?

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  • Condé Nast übernimmt die Musikwebseite Pitchfork.
  • Aber nicht der Kauf an sich sorgte für Aufregung, sondern die Äußerung, dass der Verlag offenbar vor allem "Männer im Millenial-Alter" erreichen wolle - als sei Popmusik vor allem Männersache.
  • Die Quotendiskussionen sind nur ein Vorgeschmack auf den Gegenwind aus der Indie-Welt, die um eines ihrer unabhängigen Zentralorgane fürchtet.

Von Andrian Kreye

Es war nicht nur die Nachricht, dass das Vogue-Verlagshaus Condé Nast das Zentralorgan des unabhängigen Musikgeschmacks pitchfork.com übernimmt, die für Unmut in den Indie-Kreisen sorgte, die Pop als Subkultur empfinden.

Pitchfork gilt mit seiner Webseite, seinem Magazin, seinem Videostudio und seinem Festival als globale Drehscheibe für den guten, weil unbestechlichen und damit authentischen Musikgeschmack. Und Unbestechlichkeit ist gerade in jener Kulturindustrie eine seltene Tugend, die von den "Payola"-Bestechungsskandalen der Fünfzigerjahre bis zu den bezahlten Interviewreisen der Gegenwart dafür bekannt ist, aggressiven Einfluss auf den Geschmack der Medien und der Massen zu nehmen. Condé Nast ist mit seinen Mode- und Gesellschaftsmagazinen allerdings dafür bekannt, sich bei seiner Berichterstattung auch nach Wünschen der Anzeigenkunden zu richten.

Männer im Millenial-Alter

Es war aber vor allem die Begründung für den Kauf, die viel Zorn nach sich zog. Fred Santarpia, "chief digital officer" der Firma, sagte der New York Times, Pitchfork bringe nun "ein sehr leidenschaftliches Publikum von Männern im Millenial-Alter" in das Portfolio des Verlages. Das schien das Vorurteil zu bestätigen, Popmusik sei vor allem Männersache, gegen das gerade Pitchfork immer wieder anschreibt. Der Webseitengründer Ryan Schreiber vermeldete über Twitter deswegen: "Frauen haben einen Riesenanteil an den Pitchfork-Lesern und -Mitarbeitern. Wir stehen total dafür, alle Musikfans überall zu erreichen." Worauf die Webseite der Zeitschrift Atlantic eine Pitchfork-Umfrage nach der Lieblingsmusik der Leser von 2012 zitierte, bei der 88 Prozent der Teilnehmer eben doch Männer waren, und ein Großteil ihrer Lieblinge ebenfalls.

Die herzhaft zornigen Quotendiskussionen sind nur ein Vorgeschmack auf den Gegenwind aus der Indie-Welt, auf den sich Pitchfork und ihr neuer Mutterkonzern nun einstellen müssen. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass Condé Nast eine Publikation übernimmt, die einst als Zentralorgan einer relevanten Subkultur galt. 1988 kaufte die Firma die Zeitschrift Details, die so etwas wie die Chronik der New Yorker Downtown- und Club-Kultur war. 2006 kauften sie Wired, die Bibel der digitalen Kultur, die Stewart Brand und Kevin Kelly in San Francisco lange vor den Zeiten gegründet hatten, in denen die einstige Metropole der Gegenkulturen zur Schlafstadt für Silicon-Valley-Besserverdiener wurde.

Die Befürchtungen bewahrheiteten sich. Aus Details wurde ein mittelmäßiges Männermodeheft. Wired mutierte zumindest in Amerika vom intellektuellen Forum der Digerati zum Warenkatalog für Erstanwender. Die britische Ausgabe hielt da eher das Niveau, und auch die deutsche Wired war ein Versuch, dem digitalen Denken eine Stimme zu geben (Ab nächstem Jahr soll es nur noch vier Mal im Jahr erscheinen und mit monothematischen Ausgaben das neue Geschäft mit Konferenzen begleiten. )

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Eine Hoffnung bleibt den Pitchfork-Lesern. Der New Yorker - seit 1999 in Condé Nast-Händen - blieb bisher die beste Intellektuellen-Zeitschrift der Welt. Unbestechlich und unabhängig. Vielleicht gelingt Pitchfork das ja auch.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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