C Pham Zang: "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold":Im weißgewaschenen Westen

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Landete mit ihrem Debüt auf der Leseliste von Barack Obama: C Pam Zhang. (Foto: Gioia Zloczower)

C Pam Zhang verschafft in ihrem Debüt "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" den chinesischen Immigranten unter dem amerikanischen Pionieren ein Happy End. Nachdem man sie aus den dominanten Mythen erst mal verdrängt hat.

Von Samir Sellami

Der Roman "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" ist nicht nur literarischer Western. Er ist auch eine historiografische Intervention. Das Debüt der amerikanischen Autorin C Pam Zhang, die 1990 in Peking geboren wurde, erzählt von Begebenheiten, die aus dem kollektiven Gedächtnis der USA weitgehend ausgeklammert sind: der Geschichte der Chinesen im US-amerikanischen Westen der Pionierjahre.

Das Zusammenspiel von Opiumkrise und Goldrausch hatte die ersten Migranten aus China ins Land gespült. Deren Nachkommen organisierten ihr Überleben als Feld-, Fabrik- und Minenarbeiter, Hausangestellte oder Betreiber von Opiumhöhlen. Bis zu 90 Prozent der Arbeiter, die in den 1860er-Jahren für den Bau der ersten interkontinentalen Eisenbahnstrecke schufteten, waren Schätzungen zufolge Chinesen.

Ihrer vergessenen Präsenz im weißgewaschenen Wilden Westen setzt Zhang ein literarisches Denkmal und leistet damit einen äußerst zeitgemäßen symbolischen Restitutionsakt. Völlig unbesiedeltes Neuland, wie die überwiegend enthusiastischen Reaktionen der Kritik nahelegen, betritt sie damit jedoch nicht. Angefangen mit der zu früh abgesetzten HBO-Serie "Deadwood" über die breit rezipierte Genre- und Jugendliteratur von Ken Liu und Stacey Lee bis hin zu Kelly Reichardts behutsamem Kinofilm "First Cow" zeichnet sich eine breite Bewegung ab, die dem blass gewordenen Westerngenre fernöstliches Blut einflößt.

Der Goldrausch ist lange her, in Kalifornien fließt nur noch ein dünnes Rinnsal an Geld

Zu Beginn des Romans sind die jungen Schwestern, Sam, gerade erst zwölf Jahre alt, und Lucy, sogar erst elf, auf der Flucht: vor imaginären Tigertatzen und übergriffigen Trappern, pochendem Hunger und unbarmherziger Dunkelheit. Im Rucksack haben sie den toten Vater ("Ba"), den sie begraben müssen, denn ihre Mutter ("Ma") ist schon lange fort. Die groteske Flucht durchs sonnenvertrocknete Hügelland Nordkaliforniens weckt Assoziationen zu Faulkners Meisterwerk "Als ich im Sterben lag", aber anders als bei Faulkner treibt die Geschwister kein hinterlistiges Kalkül, sondern ein diffuses Pflichtbewusstsein, das mit ihrer Herkunft zu tun haben könnte oder der ähnlich diffusen Gewissheit, nie ganz zu dem Land zu gehören, in das sie hineingeboren wurden.

Das ist die eine Hälfte der Geschichte. Die andere Hälfte erzählt, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass sich Lucy und Sam ganz auf sich selbst gestellt im Westernkerngebiet herumtreiben, mitten im unheimlichen 19. Jahrhundert, das durch Zeitangaben wie XX67 und XX42 auf vorsorglich fiktionaler Distanz gehalten wird. Einst folgten, so will es die Familienlegende, Ba und Ma dem Ruf des Goldes an die US-amerikanische Westküste. Das ist lange her, und statt Gold fließt im Jahr XX59 nur noch "ein dünnes Rinnsal an Geld, das niemals reicht, um die leeren Mägen zu füllen".

Doch dann finden die beiden tatsächlich Gold, so viel, dass der amerikanische Traum für einen Moment zum Greifen nahe scheint, selbst für eine chinesische Einwandererfamilie in rechtsfreiem Gebiet. Doch der Traum zerrinnt, und am Ende behält das unversöhnliche Motto des Romans die Oberhand: "This Land Is Not Your Land", lautet es, ein Negativzitat von Woody Guthries alternativer Amerika-Hymne.

In asiatisch-amerikanischen Familien herrsche eine "Mythologisierung der Zukunft"

Zhangs Restitutionsakt besteht also nicht darin, die Erfolgsgeschichte chinesischer Immigranten zu erzählen, sondern darin, ihre Geschichte überhaupt ins kollektive Bewusstsein zu heben. In einem Essay für den New Yorker berichtete sie von einer Erfahrung, die für viele Asian Americans bis heute prägend ist: Das Familienleben aus der Zeit vor der Einwanderung lernen sie in der Regel nur als Prolog für die biografische Haupterzählung kennen, die eine rein amerikanische ist. Sich überhaupt der eigenen Vergangenheit zu stellen, werde angesichts einer in asiatisch-amerikanischen Familien endemischen "Mythologisierung der Zukunft" bereits zur störenden Intervention gegen das Protokoll reibungsloser Assimilation.

Zhangs Gespür für zeitgemäße Fragestellungen zeigt sich schließlich in einem weiteren Motivkomplex des Romans: der Zerstörung der Umwelt unter den Bedingungen kapitalistischer Modernisierung. Mit bewährter Gewalt bricht im Laufe des Romans die Moderne über die Gegend herein und zieht ihre segmentierenden Linien.

Auf den Goldrausch folgen Exzesse aus Kohle und Stahl, "die Eisenbahntrasse wächst, die Hügel werden planiert". Die Trauer, die Zhang in einem Interview zum zentralen Thema des Buches erklärt hat, betrifft nicht nur den frühen Tod der Eltern, sondern auch das Verschwinden der Natur. In diesem Sinne lautet die Antwort, die sich der Roman im Titel selbst stellt: Es ist ganz egal, wie viel Gold in diesen Hügeln schlummert, es wird nie genug sein in einer Gesellschaft, die von Männern dominiert wird, "die die Erde leergraben".

C Pam Zhang: Wie viel von diesen Hügeln ist Gold. Aus dem Englischen von Eva Regul. S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 341 Seiten, 22 Euro. (Foto: N/A)

Zusammen mit Sams lässigem gender bending, Lucys Scharfsinn und dem nur selten um Überraschungen verlegenen Plot mag man in dieser umfassenden Verjüngungskur des Westerngenres Ursachen vermuten für den überwältigenden Erfolg dieses Romans, der es bis auf Barack Obamas Leseliste geschafft hat. Und doch glänzt nicht alles daran. Zwar knallen Zhangs Sätze auch in Eva Reguls hervorragender Übersetzung wie Peitschenhiebe aufs Papier, doch in der Länge eines Romans verliert auch das an Reiz. Vor allem das Verfahren, direkte Rede mit unübersetztem Pidgin-Mandarin anzureichern, bleibt Ornament, um nicht zu sagen billiger Modeschmuck.

Das alte Happy End wird von einem neuen abgelöst: "die eigene Geschichte" zu finden

So wird in diesem Western zwar ungewohnt viel, dafür aber nicht besonders vielsprachig geredet. Das Fluide, Offene, Mehrsprachige wird über Identitäts- und Zugehörigkeitsfragen beschworen, formal aber bleibt die Erzählung konventionell. Ihr Ausgang könnte amerikanischer kaum sein. Zwar ist am Ende das Gold zerronnen und die Eltern sind tot, doch in all dem Unglück findet Lucy eine viel wertvollere Währung: "ihre eigene Geschichte, nur für sie selbst geschrieben".

Mit dieser ästhetischen Utopie, die die Macht der Geschichten beschwört, "damit sich Gnade über Jahre der Verletzungen legt", ist Zhang in guter Gesellschaft. Überall wimmelt es im Moment von politisch sensibilisierter Kunst, die den Marginalisierten eine Stimme gibt, um - in Lucys Worten - "mit Geschichten gegen die Geschichtsbücher" vorzugehen.

Das klassische Happy End aus den goldenen Tagen der Hollywood-Sentimentalität, bei dem das vermeintlich Gute das im buchstäblichen Sinne dunkle Böse besiegt, ist für eine gegen den Mythos vom weißen Amerika immunisierte Gegenwartsliteratur keine Option mehr. Aber das formale Happy End, an dem sich jemand die eigene Geschichte erobert und über das Vergessen triumphiert, drängt sich als neue Leitideologie einer US-amerikanischen Kulturindustrie nach vorne, die ihre Produkte so sendungsbewusst wie eh und je in die ganze Welt exportiert. Und damit riskantere Kunst verdrängt, die ihr Glück anderswo sucht als im ewigen Suchen und Finden der eigenen Story.

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