Barack Obama:Mr. Cool und die Suche nach dem nächsten großen Hit

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Barack Obama hat die Pop-Kultur wie kein anderer Präsident zuvor geprägt. (Foto: Screnshot Youtube "The Tonight Show Starring Jimmy Fallon")

Man kann Obama lieben oder hassen. Aber die USA hatten nie einen cooleren Präsidenten. Das Netz feierte ihn wie einen Superstar. Ein Auszug aus seinem popkulturellen Erbe.

Von Alexander Triesch

Der Secret Service nennt ihn "Renegade" - den Abtrünnigen. Das Codewort trifft das Gemüt des scheidenden US-Präsidenten ziemlich gut. Immer wieder sorgte Barack Obama in seiner Amtszeit für Aufruhr unter den Elite-Agenten, die Tag und Nacht den mächtigsten Mann der Welt bewachen. Im Weißen Haus, das der Secret Service schützt wie eine moderne Festung, wurde es Obama zuweilen zu eng. Er wollte raus auf die Straßen von Washington, durch den Park laufen, bei Starbucks Kaffee trinken, die Hände der Amerikaner schütteln. Und er tat es. Einfach so.

"Off-the-record"-Events heißen Obamas spontane Ausflüge, die seine Personenschützer regelmäßig in Alarmbereitschaft versetzen. Während deutsche Politik meist wenig unterhaltsam ist, hatten die Amerikaner in den vergangenen Jahren wohl den lässigsten Anführer überhaupt. Ein Basketballer, Serien-Liebhaber, Baseball-Fan, schlagfertig, witzig, der Präsident von nebenan. "Prez", wie echte Fans sagen.

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Angespannte Lage im Oval Office, Spielen mit Hund "Bo" und Golfen auf Hawaii. Der Cheffotograf des Weißen Hauses hat die eindrücklichsten Momente in Barack Obamas Präsidentschaft festgehalten.

Vielleicht war es auch dieses Image, das ihn hierzulande populär machte (und trotz dem er zeitweise so unbeliebt in den USA war). Dabei waren die sozialen Medien Obamas treuester Begleiter auf dem Weg zum obersten Entertainer der Nation. Auf Twitter folgen dem Noch-Präsidenten knapp 80 Millionen Nutzer, bei Facebook sind es 52 Millionen.

2012 verteidigte Obama das Oval Office gegen den Republikaner Mitt Romney. Sein Presseteam twitterte anschließend ein Foto von ihm und seiner Frau Michelle: "Four more years" - bis heute einer der meistgeteilten Tweets aller Zeiten. Der Fotograf Pete Souza, seit 2008 eine Schlüsselfigur der Social-Media-Maschinerie der Obamas, inszenierte den Präsidenten mit Babys und Hunden, im Privatkino, auf dem Basketballfeld, im Supermarkt. Der Privatmensch Barack, so sollte es aussehen, ist ja auch nur ein ganz gewöhnlicher Amerikaner.

Obama war der erste amtierende Präsident in einer Late-Night-Show

Stellen wir uns einen Moment vor, es ist Donnerstagabend, 22:15 Uhr, auf ZDFneo läuft das "Neo Magazin Royale". Jan Böhmermann zieht über die Tagespolitik her, das Publikum johlt, dann kündigt der Satiriker den nächsten Gast an. Zwei Minuten später sitzt Angela Merkel neben ihm auf der Couch. 200 000 Zuschauer kleben gespannt an den Bildschirmen. Erste Frage an die Kanzlerin: "Lachen Sie Frauke Petry eigentlich manchmal aus?" Die Chancen auf einen lustigen Abend wären eher gering. Obama hat beim US-Talkmaster Jimmy Kimmel genau diese Frage (natürlich vor der Wahl) in Bezug auf Trump beantwortet: "Klar, den ganzen Tag."

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Spitzenpolitiker in den Vereinigten Staaten sind - anders als bei uns - regelmäßig zu Gast in Late-Night-Shows. Auf den Sofas von Ellen DeGeneres und David Letterman nahmen schon George W. Bush, Bill Clinton und Bernie Sanders Platz. 2009 brach Obama ein Tabu und besuchte als erster amtierender Präsident eine Talkshow, die "Tonight Show" von Jay Leno. Damals kündigte er an, die Banken in die Mangel zu nehmen und Amerika aus der Finanzkrise zu führen.

Deutlich witziger waren Obamas spätere Auftritte, als Leno ihn 2012 fragte, was Trump eigentlich gegen ihn habe (der hatte mehrfach in Frage gestellt, ob Obama überhaupt US-Amerikaner sei) und der Präsident sagte: "Das fing schon in unserer gemeinsamen Kindheit in Kenia an." Es folgten Auftritte bei Jon Stewart, Jimmy Fallon und David Letterman.

In besonderer Erinnerung bleibt der Comedian Jerry Seinfeld, der Obama 2015 in Washington besuchte und ihn in einem alten Chevrolet C2 rund um das Weiße Haus chauffierte. Die beiden scherzten über Obamas Popularität, die auch bei kleinen Kindern hoch sein soll. "Ich sehe eben ein bisschen aus wie eine Zeichentrickfigur", sagte der Präsident an Bord des Oldtimers.

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Sänger, Comedian, Sportler: Ein ganz normaler Amerikaner

Ab 2012 trauten sich Obama und seine Berater mehr. Der alte Präsident war auch der neue. Wenn Stars wie Mick Jagger und der mittlerweile verstorbene Sänger B. B. King Konzerte im Weißen Haus gaben, musste jetzt auch der Präsident ans Mikro. Etwas verschämt singt er einen Teil der Blues-Hymne "Sweet Home Chicago", deutlich sicherer einen Tribut an Ray Charles. Am Nationalfeiertag stimmte er für Tochter Malia auch gleich ein Geburtstagsständchen an - vor vollem Haus.

Manchmal schien es so, als sei Obama in der Comedy-Branche tatsächlich gut aufgehoben. 2015 war er in dem Video "Dinge, die jeder tut, aber über die niemand spricht" der Website Buzzfeed zu sehen. Vor dem Spiegel schneidet er Grimassen, nimmt Selfies auf (ja, mit Stick) und übt Basketballwürfe. Als ihn einer seiner Mitarbeiter dabei ertappt, reagiert der Präsident genervt. Er will doch auch mal einfach sein Leben leben. Dafür ist bald Zeit. Trump übernimmt ab Januar die Geschäfte im Weißen Haus.

Inwieweit Obama seine lässigen Auftritte letztendlich genützt oder vielleicht sogar geschadet haben, bleibt unklar. Er selbst hat sich nie dazu geäußert, warum er seinen selbst-referentiellen, teils sogar arroganten Humor immer wieder in den Vordergrund geschoben hat und für jeden Spaß zu haben war. Was wohl für viele Menschen an der Ost- und Westküste Teil ihrer Samstagabendunterhaltung war, könnte im Mittleren Westen und im Rust Belt als hochnäsiges Verhalten angekommen sein. Obama sprudelte bei manchen Auftritten geradezu vor Selbstvertrauen und ließ keine Gelegenheit aus, zu betonen, was für ein cooler Typ er eigentlich sei. Ob Trump im Wahlkampf einen Vorteil daraus ziehen konnte? Den Vorwurf vom abgehobenen Politikbetrieb in Washington mag Obama nicht gerade entschärft haben.

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Bei traditionellen White House Correspondents' Dinner im April, zu dem der Präsident die Upper Class von Washington zum Essen lädt, beendete Mr. Cool seine Abschlussrede mit den Worten "Obama Out!". Dann ließ er das Mikro elegant fallen. Eine Geste, die zeigt: Das hier ist endgültig. Die als "Micro-Drop" bekannte Szene verbreitete sich schnell in den sozialen Medien, der Guardian ließ sich gar dazu hinreißen, sie als ein Dokument der Zeitgeschichte zu bezeichnen, über das Historiker noch in 100 Jahren sprechen werden. Die Prez-Ära ist nun vorbei. Es ist zu erwarten, dass Donald Trump einen anderen Weg einschlagen wird.

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