Ausstellungen:Echolot der Kunst

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Die trauen sich was, die Jungen: Ein Rundgang durch Nachwuchs-Galerien und Off-Spaces

Von Evelyn Vogel, München

Sie sind jung, sie kämpfen ums Überleben, und sie sind risikobereit. Wer sich von den jüngeren teilnehmenden Galeristen des Kunstevents "Various Others" neue Impulse erwartet hat, wird nicht enttäuscht. Durch Kompromisslosigkeit in der Auswahl künstlerischer Positionen fiel Johannes Sperling von Anfang an auf. Vor fünf Jahren hat er etwas abseits, am Regerplatz seine Galerie eröffnete. Damit agierte er nicht nur gegen den Trend, der Galerien verstärkt ins Kunstareal zog. Auch zeigte er von Anfang an junge Positionen, die bei unterschiedlichster Materialität eine jeweils eigene, unangepasste künstlerische Handschrift bewiesen.

Im Rahmen von "Various Others" zeigt er nun die von Chiffren geprägten Arbeiten auf Leinwand und Holz von Malte Zenses, dessen oft paarweise auftretende Arbeiten wie musikalische Intervalle wirken: Hier der Grundton, dort die Terz oder Quinte, hervorgerufen durch Übermalung oder vorgesetzte Glasschichten. Diese gehen einen Dialog ein mit der großen Rauminstallation von Augustas Serapinas, den die Londoner Galerie Emalin mitgebracht hat. Die Relikte eines verwitterten Gewächshauses aus der Nähe von Vilnius hat der litauische Künstler in einer konzeptuellen Geste auf den alten Parkettboden der ehemaligen Apotheke im Münchner Stadtteil Haidhausen versetzt. Ein Raum, der durch die Galerie weiter existiert und nicht einer Edelsanierung zum Opfer gefallen ist. Eine Chiffre gegen die Gentrifizierung, die hier wie da Zwischenstadien, Räume im Übergang gnadenlos vernichtet.

Augustas Serapinas und Malte Zenses: Emalin, London bei Sperling , Regerplatz 9, bis 26. Okt., Mi-Fr 12-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr

Auch Nir Altman entwickelt sein Programm mit jungen, zeitgenössischen Positionen in diesem Rahmen konsequent weiter. Der junge Galerist aus Tel Aviv startete in München erst vor zwei Jahren aus dem Nichts heraus und hat seither eine aufmerksame und treue Gefolgschaft von Kunstinteressenten um sich geschart. Eingeladen hat er für "Various Others" die Galerie Tobias Naehring aus Leipzig, die Positionen von Eva Grubinger und Timo Seber mitgebracht hat. Diese treten mit ihren skulptural-installativen Arbeiten in Dialog mit den Bildern des Münchner Künstlers Johannes Tassilo Walter.

Alle drei Künstler verbindet ein Narrativ, das außerkünstlerische Inhalte reflektiert: Grubingers Skulpturen aus Stahl und Seil spinnen gleichsam Seemannsgarn fort in ferne Welten. Timo Seber erweist sich als Realitäts- und Materialitätserforscher, der den Betrachter in seinen Spiegelbildern einfängt, wo ihn Fetischelemente einnehmen. Dabei erweitert Seber wie nebenbei den Bildraum ganz massiv. Ähnlich, aber subtiler geht Walter vor. Seine großformatigen Papierarbeiten sind das Resultat einer malerischen Geste auf Leinwand, die - erneut ein Nach- oder Vielklang - auf Papier abgenommen und verarbeitet werden. Bis Walter fertig ist mit seiner Bearbeitung mit Tinte und Lack in einem Prozess von Addition und Subtraktion, hat das Werk auf Papier ein eigenes Narrativ geschrieben. Johannes Tassilo Walter war übrigens Mitbegründer des künstlergeführten Projektraums "Prince of Wales", der vor einigen Jahren die Münchner Kunstszene belebte.

Eva Grubingers Objekte "Untitled (Petropawlowsk)" und "Untitled (Petrischenko)" in der Galerie Nir Altman. (Foto: Eva Grubinger und Galerie Tobias Naehring, Leipzig)

Eva Grubinger, Johannes Tassilo Walter, Timo Seber: Galerie Tobias Naehring, Leipzig bei Nir Altman , Ringseisstraße 4, bis 13. Okt., Mi-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr

Aber Projekträume kommen und gehen, das liegt in der Natur der Sache. Und so gibt es seit zwei Jahren "Loggia", wo ebenfalls bemerkenswerte Arbeit geleistet wird. Weil "Various Others" solche Räume als Nukleus für Experimente sieht, wurde der Off-Space eingeladen. Künstler von Projekträumen aus Köln und aus Rumänien treten in Dialog miteinander. Durch die Aneignung von Form und Materialität schaffen Tramaine de Senna und Nicolás Lamas Objekte, die man in der Nähe der Appropriation Art verankern kann. Die dreidimensionalen Bildwerke, Objekte und Installationen wirken mal glatt und von fast designhafter Schönheit, dann wieder rau und vielschichtig und muten mitunter fast animalisch an. Eine lohnende Entdeckungstour ist es in jedem Fall.

Tramaine de Senna und Nicolás Lamas: Mélange, Köln und Sabot, Cluj-Napoca bei Loggia, Gabelsbergerstraße 26, bis 12. Okt., nach Vereinbarung www.loggialoggialoggia.com

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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