Antisemitismus-Skandal:Documenta-Chefin lehnt Rücktritt ab

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Sabine Schormann, Generaldirektorin der documenta und des Museums Fridericianum. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Das Kuratorenkollektiv Ruangrupa hat sich für antisemitische Darstellungen entschuldigt. Documenta-Generaldirektorin Schormann will derweil trotz Rücktrittsforderungen im Amt bleiben: "Bei schwerer See geht ein Kapitän nicht von Bord."

Die Generaldirektorin der Documenta Fifteen, Sabine Schormann, will trotz steigenden Drucks wegen des Antisemitismus-Skandals nicht zurücktreten. "Ich nehme meine Aufgabe, wie sie mir gestellt wurde, verantwortungsvoll wahr und glaube nach wie vor an diese Documenta", sagte Schormann am Donnerstag in Kassel. Letztlich liege die Entscheidung aber in der Hand der zuständigen Verantwortlichen und Gremien. "In einer solchen Situation ist nichts auszuschließen."

Zunächst müsse es aber darum gehen, die Vorgänge aufzuarbeiten und "das Schiff wieder auf Kurs zu bringen", so Schormann. "Und bei schwerer See geht ein Kapitän nicht von Bord. So sehe ich an diesem Punkt auch meine Rolle, ich bin für die Organisation der Ausstellung verantwortlich und habe weitere Maßnahmen eingeleitet." So habe sie das Kuratorenkollektiv Ruangrupa um eine Stellungnahme gebeten. Die folgte noch am Abend: Ruangrupa entschuldigte sich. "Wir haben alle darin versagt, in dem Werk die antisemitischen Figuren zu entdecken", schrieb das Kollektiv auf der Webseite der Documenta. "Es ist unser Fehler. Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und Schock, die wir bei den Betrachtern verursacht haben."

Es sei nicht Aufgabe der Geschäftsführung, die Kunstwerke vorab zu prüfen, so Schormann

Am Dienstag war ein als antisemitisch eingestuftes Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi nach wenigen Tagen auf der Documenta abgebaut worden. Zuvor hatte es schon seit Monaten Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ruangrupa gegeben. Schormann unterstrich erneut, dass es nicht Aufgabe der Geschäftsführung sei, die Werke vorab zu prüfen und freizugeben: "Das ist Kernaufgabe der künstlerischen Leitung." Angesichts der Materialfülle habe sich Ruangrupa "leider nicht jedes Bild mit der Lupe anschauen können, obwohl dies hinsichtlich des sensiblen Themas Antisemitismus zugesichert war". Als verantwortliche Geschäftsführerin sei auch sie geschockt gewesen, dass es trotz aller Versicherungen im Vorfeld zu diesem "entsetzlichen Fehler" gekommen sei.

Auch betonte Schormann erneut, dass die Geschehnisse aufgearbeitet würden und es nun eine "genaue und bedachte" Prüfung der übrigen Werke auf kritische Inhalte auch mithilfe externer Expertinnen und Experten geben werde. Sie bekräftigte zudem den Wunsch aller Verantwortlichen nach einem offenen und konstruktiven Dialog über Rassismus und Antisemitismus. Dazu hatte sie zuvor eine Gesprächsreihe angekündigt. Außerdem solle es einen "Begegnungsstand" am Friedrichsplatz in Kassel geben - mit der Bildungsstätte Anne Frank und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Am Friedrichsplatz war das Werk aufgestellt, bevor es verhüllt und am Dienstag schließlich abgebaut wurde.

Zum Plan der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dem Bund künftig mehr Einfluss auf die Documenta einzuräumen, sagte Schormann: "Auf jeden Fall tut es einer Ausstellung, die einen weltweiten Anspruch hat, gut, wenn es entsprechende überregionale Fachkompetenz auch in den Aufsichtsgremien gibt." Ob das durch den Bund oder andere Fachexperten ausgeführt werde, sei dabei zweitrangig. "Aber eine Unterstützung von dieser Seite ist sicher positiv zu bewerten."

Roth hatte überdies betont, die Verantwortlichkeiten zwischen der Geschäftsführung sowie den Kuratorinnen und Kuratoren wie auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden und den Gremien müssten klar geklärt werden. "Die Verantwortlichkeiten sind klar", sagte Schormann. "Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt im Detail mit Ruangrupa aufarbeiten, wie es dazu kommen konnte, dass Vereinbarungen und Aufgaben, die auch vertraglich zwischen künstlerischer Leitung und Geschäftsführung festgelegt sind, so nicht eingehalten wurden."

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