Es gibt sie noch: die bebilderten, für Gemüt und Verstand verfassten Erklärungsbücher für Jugendliche und - wie sich bei der Lektüre erweist - auch für Erwachsene. Die Rezensentin gibt zu, die ersten paar Seiten des Buchs von Fleur Daugey, "Freiheit", mit gewissen Vorbehalten betrachtet zu haben. Der erste Vorbehalt: Oha, hier soll politisch korrektes Denken Jugendlichen pädagogisch eingebimst werden. Weit gefehlt! Das Buch erzählt knapp und anschaulich, und von Olivier Charpentier gut bebildert, anhand der Vita von Harriet Tubman vieles, was auch Eltern über die Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht wissen.
Harriet Tubman kam in der ersten Hälfte der 1820er-Jahre in den Südstaaten von Amerika zur Welt, als Kind einer Sklavin. Schon im Alter von fünf Jahren wurde sie an Nachbarn zum Arbeiten "ausgeliehen". Wenn ihre Herrschaft mit ihr sprach, so geschah es in brüllendem Ton. Sie wurde geschlagen. Sie war nichts wert. Als sie älter wurde, wollte sie nicht mehr so behandelt werden. Sie floh. Sie war gottesgläubig und meinte, Gott stehe auf ihrer Seite. Auf ihrer Seite im Diesseits - praktischerweise - standen vor allem Quäker, die bei der Flucht in die Nordstaaten halfen. Von dort aus half nun sie in den folgenden Jahren vielen anderen Sklaven bei der Flucht aus den Südstaaten. Während des Bürgerkriegs zwischen den Nord- und den Südstaaten (1861 bis 1865) arbeitete sie neben ihrer Hilfe für Verletzte sogar als Spionin. Und beklagte sich später, im Alter: "Obwohl ich während des Sezessionskriegs als Krankenschwester und Kämpferin gedient habe, ist es mir nie gelungen, die Pension zu erhalten, die den Kriegsteilnehmern zusteht. Die Schreiben und Dokumente, die ich vorgelegt habe, um meinen Einsatz zu belegen, waren nie hinreichend. Die amerikanische Nation ist ziemlich undankbar." Bis zu ihrem Tod 1931 erhielt sie keine staatliche Unterstützung.
Das Leben der Harriet Tubman ist beispielhaft. Es ist in diesem Buch einfühlsam erzählt. Daneben finden sich gute Erklärungen dazu, wie die Sklaverei in den USA funktionierte. Ehen waren selbstverständlich gern gesehen: Die Ehepartner hatten weniger Anlass zur Flucht. Die Ehe galt aber nicht vor dem Gesetz: Einen Ehepartner zu verkaufen war legal, war legitim, war üblich. Die Sklaven ordentlich ernähren, das galt als vernünftig, weil sie ausgemergelt schlecht arbeiteten. Lesen lernen: nichts für Sklaven, Bildung macht aufmüpfig.
Unter Barack Obama sollte der 20-Dollar-Schein auf der Vorderseite mit dem Bild von Harriet Tubman versehen werden. Donald Trump hat das verhindert. Bis 2026 wird der Sklavenhalter und Ureinwohner-Mörder Präsident Andrew Jackson auf der Vorderseite des 20-Dollar-Scheins bleiben. Das Buch von Fleur Daugey über das Leben von Harriet Tubman kann man jetzt schon lesen. (ab 12 Jahre)
Fleur Daugey : Freiheit. Harriet Tubman, eine amerikanische Heldin. Mit Illustrationen von Olivier Charpentier. Aus dem Französischen von Edmund Jacoby. Jacoby & Stuart Verlag, Berlin 2020. 54 Seiten, 16 Euro .